Es war ein Sieg auf den sie bis fast zur letzten Sekunde der Prüfung warten musste: Julia Krajewski gewann nach ihrem Sieg mit Chipmunk FRH im Jahre 2018 zum zweiten Male die Einzelwertung des SAP-Cups beim CHIO Aachen. Ihr vierbeiniger Partner in diesem Jahr: Der 10-jährige Nickel 21. Aus deutscher Sicht begeisterte außerdem der erst 23-jährige Calvin Böckmann mit The Phantom of the Opera und wurde Zweiter. Die Briten gewinnen überlegen den Nationenpreis mit dem Team.
Der Geländemorgen in Aachen begann für die Zuschauer zunächst mit einigen Überraschungen. Nachdem Michi Jung mit fischerChipmunk FRH nach zwei sehr guten Runden in der Dressur und im Springen bereits am Freitag Abend vom Vielseitigkeitsausschuss des DOKRs Dispens für die Geländeprüfung bekommen hatte, beendeten auch die beiden weiteren Reiter aus Block 1 der Longlist für die olympischen Spiele den Geländekurs vorzeitig nach dem Coffin. Sowohl Christoph Wahler, als auch Sandra Auffarth trabten ihre Pferde nach rund vier Minuten Geländeritt locker nach Hause und gaben somit auf. Bei Sandra Auffarth und Viamant du Matz lief es an Hindernis 10b, der Adlerschwinge direkt hinter der mächtigen Normandiebank einmal kurz nicht nach Plan. Das Paar verlor die Linie und wich nach rechts aus an der Adlerschwinge vorbei. Mit Sicht auf die bereits in drei Wochen stattfindenden Olympischen Spiele eine nachvollziehbare Entscheidung des Ausschusses, die Pferde nicht mehr voll zu belasten. Für die Zuschauer, die teilweise weite Anreisen auf sich genommen haben, um ihre Idole einmal Live in der Soers zu erleben und auch für den Wettbewerb an sich jedoch schade und eine kleine Abwertung dieses prestigeträchtigen Turniers. Für die Zukunft wäre zu überlegen, ob man bei solchen Formüberprüfungen nicht die Möglichkeit für eine handvoll ausgewählter Spitzenreiter schaffen könnte, außer Konkurrenz in der Dressur und im Springen anzutreten. So würden die heiß umkämpften Startplätze für aufstrebende Paare frei bleiben, sodass diese auch die Möglichkeit bekämen sich auf großer Bühne zu präsentieren und die Prüfung auch zu beenden.
In diesem Jahr starteten, wie bereits 2023, die Einzelreiter zuerst im Cross, bevor die Mannschaftsreiter in umgekehrter Reihenfolge zur Rangierung der Teams aus der Startbox galoppierten. Dies hatte zur Folge, dass die spätere Siegerin Julia Krajewski mit ihrem Nickel noch vor recht leeren Rängen als siebte Starterin ins Stadion galoppierte. In der Pressekonferenz sagte Krajewski: ,,Das war etwas schade, dass wir noch gar nicht so viel von der Stimmung mitbekommen haben. Aber dafür gibt es ja gleich zum Glück noch die Siegerehrung. In diesem Jahr war ich eindeutig nervöser als bei meinem Sieg 2018 mit Chipmunk. Damals ging ich als letzte Reiterin auf die Strecke und hatte gar nicht so viel Zeit mir noch Gedanken zu machen. Das Warten heute war ehrlich gesagt schlimmer für mich.” Zu ihrem Dressurergebnis von -23,9 Punkten kamen im Gelände der Soers, in dem Bestzeit immer sehr schwer einzuhalten ist, 6,4 Zeitstrafpunkte hinzu. Ein früh auf dem Kurs verlorenes Eisen bremste das Paar zusätzlich etwas aus. Die später startenden Tim Price, Laura Collett und Emily King hätten die 35-jährige Krajewski noch auf die Plätze verweisen können, jedoch unterliefen ihnen ebenfalls einige Zeitfehler bzw. Tim Price sogar eine Unterbrechung, sodass beim Zieleinritt der letzten Starterin Emily King klar war, dass Julia Krajewskis Name nach 2018 zum zweiten Mal auf der Tafel verewigt werden würde.
Ebenfalls auf der Überholspur unterwegs war Calvin Böckmann mit seinem 5*-Pferd The Phantom of the Opera (Züchter: Peter Fick; Besitzer: Familie Böckmann). Als eines von nur zwei Paaren beendeten die beiden ihre Prüfung mit dem Dressurergebnis (-30,9) und rechtfertigten mit einem grandiosen zweiten Platz ihre Longlist-Nominierung für Paris: ,,Die Atmosphäre hier in Aachen ist einfach besonders. Ich wusste, dass Phanti sehr schnell sein kann und da ich ein tolles Gefühl hatte, konnten wir hier und da einige Galoppsprünge auslassen.” Dritte wurde die Britin Laura Collett mit ihrem 4*-Spezialisten, dem Diarado-Sohn Dacapo und ebenfalls -30,9 Punkten. Da Böckmann jedoch im Gelände näher an der Bestzeit heranritt, musste sie ihm den Vortritt lassen: ,,Dacapo liebt es hier in Aachen! Die ganzen Zuschauer helfen ihm motiviert zu bleiben. Bei ihm gibt es nur schwarz oder weiß, entweder er hat Lust und gibt alles oder er mag den Kurs nicht, dann kann man nichts machen, außer es an einem anderen Tag wieder zu probieren.”
Drittbester Deutscher beim CHIO Aachen wurde Dirk Schrade, der Freya Rethmeiers Casino in bestechender Form, insbesondere im Springen und Gelände vorstellte. Nachdem der schicke Schimmel in den vergangenen Jahren noch hier und da Unsicherheiten auf 4*-Niveau zeigte, scheint er nun voll und ganz angekommen zu sein und wurde mit -38,4 Strafpunkten Zehnter.
Nicht ganz nach Plan lief es für das deutsche Team im Nationenpreis. Nachdem die vier Manschaftsreiter vielversprechend in der Dressur gestartet waren, lief es bereits im Springen am Freitag Abend mit einigen Abwürfen schon nicht ganz rund. Im Gelände musste Michael Jung mit Kilcandra Ocean Power 11 Strafpunkte für ein ausgelöstes MIM-System am Einsprung des Coffins hinnehmen: ,,Mein Pferd hat heute eigentlich immer blitzschnell reagiert. Am Coffin hätte ich ihm etwas mehr vertrauen können, dann wäre wahrscheinlich gar nichts passiert.” Auch bei Christoph Wahler und D’Accord FRH passte die Feinabstimmung im Gelände noch nicht ganz. Am Einsprung des SAP-Wassers blieb D’Accord einmal stehen und die Adlerschwinge, an der auch Sandra Auffarth schon Schwierigkeiten hatte, wurde Christoph im Nachhinein als Missed Jump angekreidet, sodass er nachträglich eliminiert wurde. Da half es auch nicht, dass sowohl Malin Hansen-Hotopp mit Carlitos Quidditch K und Jérôme Robiné mit Black Ice als Mannschaftsreiter Nummer 3 und 4 tollen Runden ohne Hindernisfehler ablieferten. Robiné landete mit 8 Zeitstrafpunkten aus dem Gelände auf einem tollen 13. Platz im starken Starterfeld und Malin Hansen-Hotopp wurde mit -45,4 Punkten 18. Damit wurde die deutsche Equipe unter der Leitung von Peter Thomsen schlussendlich hinter den allzeit starken Briten, den US-Amerikanern und dem Quartett aus Irland Vierter und konnte somit immerhin noch ein Preisgeld von 6000 Euro mit heim nehmen.
Positiv hervorzuheben war, dass auf der Strecke weder Reiter- noch Pferdstürze zu verzeichnen waren. Nach 20 Jahren Aachen war dies nun das letzte Jahr in dem Rüdiger Schwarz für die Geländestrecke verantwortlich war. Die Siegerin Krajewski fasste Schwarz Wirken in Aachen treffend zusammen: ,,Der Kurs hier in Aachen war wirklich perfekt. Die Kurse von Rüdiger fordern uns Reitern immer das allerbestes Reiten ab. Man muss clever, ausbalanciert und schnell reiten, um hier bestehen zu können. Aber diese Kurse machen uns Reiter besser in dem was wir tun und fordern uns heraus, immer weiter an uns und unseren Fähigkeiten zu arbeiten.” Sogar Schwarz, der nicht gerade als emotionaler Mensch bekannt ist, konnte sich angesichts der Worte seiner langjährigen Reitschülerin ein klitzekleines Lächeln nicht verkneifen.
Nun wird mit Spannung die Entscheidung über die Shortlist für die olympischen Spiele in Paris erwartet. Die drei benannten Athleten und die Traveling Reserve sowie deren Trainer und Pferdepfleger dürfen dann am Montag morgen um 10 Uhr an der Messe Düsseldorf vorstellig werden, wo sie mit der offiziellen Ausrüstung für Paris eingekleidet werden.
Einzelwertung Endergebnis CCIO4*-S Aachen
Teamwertung Endergebnis CCIO4*-S Aachen
Fotogalerie Aachen 2024 – Lutz Kaiser Datenreiter