Der Favorit und Overnight-Leader Michael Jung stürzt nach Stolperer seines Pferdes fischerChipmunk FRH am letzten Wasserkomplex und scheidet somit aus. Durch eine geschlossene Mannschaftsleistung der übrigen deutschen Reiter liegt die Mannschaft jedoch aktuell auf Silberkurs. Sandra Auffarth und Viamant du Matz lassen den anspruchsvollen Kurs leicht aussehen und liegen aktuell auf Position 3 in Aussicht auf eine Einzelmedaille.
Es war ein mehr als spannender Nachmittag im französischen Haras du Pin auf der um knapp zwei Minuten verkürzten Geländestrecke. Zahlreiche, der Sprache nach zu urteilen vor allem französische Fans, säumten die Geländestrecke und feuerten die Teilnehmenden und vor allem die Reiter des Gastgeberlandes lautstark an. Die Entscheidung der Entschärfung des Kurses nach den Regenfällen erwies sich als goldrichtig, denn selbst bei der nun ,,nur noch“ 4730 Meter langen Geländestrecke kamen einige Pferde, trotz der stetigen Bemühungen der Veranstalter die Verhältnisse so gut wie möglich zu halten, konditionell an ihre Grenzen. Der durch den Regen aufgeweichte Boden zehrte an den Kraftreserven der Vierbeiner. 39 der ursprünglich 55 gestarteten Paare kamen im Ziel an, zwei Pferde wurden vor dem Gelände zurückgezogen. Insgesamt stürzten sechs Reiter und drei Pferde kamen zu Fall. Jedoch gab es auch einige Pferde denen die Bodenverhältnisse überhaupt nichts auszumachen schienen, allen voran dem 11-jährigen Grafenstolz-Sohn Lordships Graffalo, der gemeinsam mit seiner zierlichen Reiterin Rosalind Canter als vorletztes Starterpaar eine Lehrbuchrunde über die insgesamt 29 Hindernisse drehte und als einziges Pferd innerhalb der erlaubten Bestzeit blieb. Er führt nun mit seinem Dressurergebnis von -21,3 Punkten und mit über zwei Springfehlern Vorsprung vor seinem Teamkollegen Vendredi Biats vorgestellt von Kitty King. Sie belegt mit der drittschnellsten Geländerunde des Tages und -30,8 Punkten aktuell den Rang der morgen nach dem Springen die Silbermedaille bedeuten würde. Jedoch folgt ihr mit -34,6 Punkten und nicht einmal einem Springfehler Abstand Sandra Auffarth die mit ihrem ,,Mat“ eine mutige und beherzte Geländerunde drehte. Sandra kämpfte den ganzen Kurs über, ließ keine Sekunde liegen und man sah den beiden förmlich an, dass sie sich in- und auswendig kennen und eben eine richtige Einheit im Gelände bilden. Lediglich mit sechs Zeitfehlern und der viertschnellsten Zeit des Tages konnten sie freudestrahlend die Ziellinie überqueren.
Einen schwarzen Tag dagegen erwischte der Reitmeister Michael Jung aus Horb. Nach seiner fabelhaften Dressurvorstellung am Freitag startete er gut ins Gelände und zeigte bis auf einen Schreckmoment vor dem ersten Wasser, wo der Reiter beim Tiefsprung einmal kurz aus der Balance kam und für einen kurzen Moment auf dem Hals lag, einen Ritt wie an der Schnur gezogen. Nach dem Coffin Sprung 22 a-c schien Michi sogar mit Blick auf die Uhr nahe an der Bestzeit zu sein. Beim Einsprung in den letzten Wasserkomplex passierte es dann: Chipmunk knickte bei der etwas tieferen Landestelle nach der mächtigen Hecke mit den Vorderbeinen um, sein Reiter wurde dadurch förmlich aus dem Sattel katapultiert und rollte sich ins flache Wasser ab während Chipmunk schon frisch aus dem Komplex herausgaloppierte. Offensichtlich haben beide den Sturz ohne größere Blessuren überstanden, denn Michi joggte Chipmunk, der bereits von Helfern eingefangen wurde, hinterher. Jedoch bedeutete der Sturz natürlich die Disqualifikation aus dieser Prüfung.
An dieser Stelle machte es sich besonders bezahlt, dass die beiden ersten Teamreiter Malin Hansen-Hotopp und Christoph Wahler jeweils gute und sichere Runden für das Team nach Hause geritten hatten. Malins großrahmiger Schimmel Carlitos Quidditch K zeigte sich unbeeindruckt von der Atmosphäre und arbeitete die Aufgaben wie an der Schnur gezogen ab. Lediglich an der Kombination 20ab, dem ,,Biwak“, wählte sie die etwas längere Alternative. Kurz vor dem Ende kam es dann am drittletzten Sprung, einer Mauer mit vorgelagertem Graben, zu einem kurzen Schreckmoment als die Distanz zum Absprung nicht ganz passte und die beiden das Hindernis mit einem etwas unorthodoxen Sprung überwanden. Schlussendlich konnten sie als erstes Paar für die Mannschaft bei ihrem Championatsdebüt eine wichtige und nach dem Sturz von Michi nun auch zählende Geländerunde abliefern. Insgesamt kamen 18,4 Strafpunkte für 46 Sekunden Zeitüberschreitung hinzu. Morgen starten sie von Platz 20 aus in den alles entscheidenden Sonntag. Bei Christoph Wahler und Carjatan S zeigte sich, dass diese beiden mit der WM und Badminton im vergangenen Jahr bereits die schwersten Geländekurse der Welt gemeinsam bestritten haben. Denn trotz dessen, dass der weiche Boden dem 14-jährigen Schimmel nicht unbedingt lag, sprang er bei jeder Aufgabe erneut beherzt zu und ,,kämpfte“ sich regelrecht durch den Kurs. Carjatans langjähriger Reiter ließ den Schimmel, zumindest von außen betrachtet, auf den Galoppstrecken immer mal wieder kurz durchatmen, sodass die beiden es 33 Sekunden überhalb der erlaubten Bestzeit gut ins Ziel schafften. Aktuell liegen sie vor dem Springen mit -41,5 Punkten innerhalb der Top 10 auf Rang 6. Das deutsche Team rangiert nun mit seinen verbliebenen drei Reitern und einer Punktzahl von -126,0 Punkten auf Platz 2 im Kampf um den Europameistertitel. Trotz eines nicht optimalen Geländetages konnten die Briten ihre Top-Position verteidigen und führen mit -98,7 Punkten und einem deutlichen Vorsprung. Während Rosalind Canter und Kitty King nach dem Gelände an Position 1 und 2 liegen, musste die amtierende Weltmeisterin Yasmin Ingham mit Banzai du Loir 20 Punkte am C-Element des Coffins, einer schrägen und nach rechts offenen Hecke, hinnehmen. Laura Collett kam mit ihrem Holsteiner London 52 am Element 20b, einer Ecke, von der Ideallinie ab und sprang mittig durch die Fahne, statt über den Sprung innerhalb der weißen Fahne. Das kostete sie teure 15 Punkte für eine Missed Flag. Auf Bronzekurs und nur 0,2 winzige Punkte hinter den Deutschen liegen aktuell die Franzosen, die durch kämpferische Geländerunden im Mannschaftsklassement drei Plätze gut machen konnten.
Seinen Namen werden nach diesem Tag wohl einige Pferdesportinteressierte mehr kennen: Jérôme Robiné aus Warendorf, erst 25 Jahre jung, ritt eine, bis auf einen kurzen Moment zum Luftanhalten an Sprung 2, stilistisch saubere Runde mit seinem Iren Balck Ice und bewies darüber hinaus auch noch, dass er Nerven aus Drahtseilen hat. Zum ersten Mal in seiner reiterlichen Karriere wurde er auf der Geländestrecke angehalten und musste, nur einen Sprung entfernt vom letzten Wasserkomplex der Strecke, einige Minuten warten, da die Reiterin vor ihm eben dort gestürzt war. Offensichtlich gut erholt von der kurzen Verschnaufpause beendeten sie ihren Ritt frisch und ohne Unsicherheiten. 46 Sekunden überhalb des Bestzeit von 8:18 Minuten überquerten sie die Ziellinie und liegen nun auf Platz 10.
Weniger positiv verlief der Tag für den zweiten Championatsdebütanten im Bunde, Nicolai Aldinger mit dem 13-jährigen Timmo. Nach einer vielversprechenden ersten Hälfte des Kurses schien Timmos Kondition etwas nachzulassen, sodass er an der Ecke 20b bei einer etwas unpassenden Distanz nicht absprang und 20 Punkte kassierte. An der schrägen Hecke nach dem Coffin kam Aldinger dann aus dem Sattel, sodass die Reise der beiden bei ihrem ersten Championat früher als erhofft zu Ende ging.
Die Verfassungsprüfung steht am Sonntag vormittag ab 9 Uhr im Programm. Das Springen ist für 11:30 Uhr angesetzt.
Zwischenstand nach dem Gelände – Einzelwertung
Zwischenstand nach dem Gelände – Teamwertung
Fotogalerie zum Ansehen und Bestellen von Lutz Kaiser