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Gedanken zur aktuellen Situation rund um Corona- und Herpes-Infektionen

Erst legte der Corona-Virus COVID-19 die Turniersaison 2020 lahm, nun folgen die ersten Wochen der Saison 2021 durch den wohl schlimmsten Ausbruch des Equinen Herpes-Virus EHV-1 in den letzten Jahrzehnten auf einem internationalen Springturnier im spanischen Valencia.

Auch das internationale Springturnier in Vejer de la Frontera (ESP) wurde heute noch vor dem ursprünglich vorzeitigen morgigen Ende abgebrochen. Bei zwei Pferden in Vejer de la Frontera, das circa 800 km von Valencia entfernt liegt, zeigten sich neurologische Auffälligkeiten, die auf eine EHV-1 Infektion hinweisen könnten.

Da viele Pferde von Valencia aus schon vor und bei Bekanntwerden der Herpes-Infektionen den Turnierplatz in Richtung ihrer Heimatställe verließen, werden nun Maßnahmen gegen eine großflächige Weiterverbreitung unternommen: Alle Sport- und Zuchtveranstaltungen in Deutschland wurden bereits bis zum 28. März abgesagt. Ob der Zeitraum ausreicht, ist fraglich. Die FEI sagte zuvor in 10 europäischen Ländern alle internationalen Prüfungen ab- die großen laufenden Turniere in Italien, Spanien und Portugal dürfen als sogenannte „bubbles“, aus denen kein Pferd ausreisen und keine neuen Pferde einreisen dürfen, fortgeführt werden, solange keine EHV-Infektionen auftreten. Die hochkarätig dotierten Springen in Doha werden ausgerichtet, nachdem vier positiv getestete Pferde eines deutschen (zwei Pferde) und eines kolumbianischen Reiters vor Betreten des Turniergeländes positiv auf den Herpes-Virus getestet und in Quarantäne einer nahegelegenen Tierklinik gebracht wurden.

Es mutet schon komisch an, in Zeiten des Lockdowns, in dem sich Einzelhändler, Friseure und viele Freiberufler nun endlich nach monatelangen Zwangsschließungen über die ersten Möglichkeiten der Wiederaufnahme ihrer Berufs- und Geschäftstätigkeit freuen. Die Rede ist von 752 Pferden, die in Valencia am Start waren, und von rund 1400 Pferden in Vejer de la Fontera. Man kann sich ungefähr ausrechnen, wie viele Reiter, Pferdepfleger, Trainer und Begleitpersonen dort vor Ort waren und noch teilweise sind.

Wie kann das sein? Berufsreitern wurde in Zeiten des Lockdowns analog zu anderen Berufssportlern, wie beispielsweise auch Fußballern zugestanden, dass sie ihren Sport uneingeschränkt weiter ausüben dürfen und auch weiterhin auf Turnieren starten können. Nicht alle Maßnahmen, die die Regierung in Sachen Infektionsschutz beschlossen haben, sind logisch nachvollziehbar. Berufsreiter dürfen zum Turnier fahren, während ein Amateurreiter sich darüber freut, dass er sein Pferd zumindest im Rahmen der tierschutzrelevanten Bedürfnisse bewegen und versorgen darf. Reiten ja- trainieren nein. Und das gilt seit November!

Die Frage ist, ob sich diese Berufsreiter ihrer Privilegien bewusst sind, die für Wochen und Monate ihre Pferde in Deutschland einpacken, und mit dem gesamten Betrieb nach Spanien, Italien oder Portugal in die Sonne fahren, um Turniere zu reiten, die Zeit zu genießen und teils noch nebenbei ein paar Pferde zu handeln. Wenn man einige Social-Media Kanäle verfolgt, stellt sich diese Frage nicht mehr, es scheint schlichtweg das Selbstverständlichste zu sein.

Nun geht es aber weiter: Für die betroffenen Reiter und Pferdebesitzer, deren Pferde tausende von Kilometern nach Spanien gereist sind, soll nun unter dem #reiterhelfenreitern gespendet werden. Dass man Mitgefühl empfindet, vor allem mit den Pferden, das steht außer Frage. So ein Leid wünscht man niemandem. Keinem Pferd, keinem Reiter, keinem Pferdemenschen und keinem Tierarzt, die um das Leben der Pferde kämpfen und bangen müssen. Aber Solidarität sollte keine Einbahnstraße sein!

In Zeiten, in denen unsere Reitschulen durch den Lockdown wahre Existenzängste durchleben und darum bangen müssen, ob sie alle Schulpferde durchbringen können; in denen freiberuflich tätige Reitlehrer seit Monaten keinen Cent Einkommen zu verzeichnen haben; in Zeiten, in denen kein deutscher Amateurreiter trainieren oder zum Turnier fahren kann; in Zeiten, in denen es um Solidarität und ein „wir kommen gemeinsam durch die Krise“ geht- ist es da der richtige Zeitpunkt, solche Reisen anzugehen, nur um den eigenen Vorteil zu nutzen?

Die Pferde fahren und fliegen um die ganze Welt, sehen teilweise Wochen und Monate nicht einmal ihren Heimatstall. Und warum?

Schulpflichtige Kinder und Jugendliche, die den Kadern angehören, befinden sich als Reiter auf den Turnieren in Spanien, da pandemiebedingt die Präsenzpflicht in den Schulen ausgesetzt ist. Dann kann man die Zeit ja ganz gut zum Turnierreiten nutzen.

So viele leiden nun mit unter den Folgen dieses fatalen Herpes-Ausbruchs. Nicht zuletzt die im Bundeskader vertretenen Berufsreiter selbst, denn diese Infektionen gefährden nun eine Teilnahme des Reitsports bei den Olympischen Spielen- wenn diese denn stattfinden.

Es leiden auch diejenigen, die sich den Winter über zuhause soweit wie möglich gut auf die Saison vorbereitet haben, um nun, sobald es möglich ist, dann auch wieder auf Turnieren zu starten. Dies trifft auch die Vielseitigkeitsreiter hart, die durch die Corona-Pandemie sowieso schon auf einige Turniere verzichten mussten. Junioren und Junge Reiter, denen keiner diese Zeit wiederbringen kann, aber auch Amateure, die aus Spaß am Sport jeden Tag neben Beruf und Alltag ihre Zeit und auch ihr Geld in diesen Sport und ihre Pferde investieren.

Höher-weiter-schneller- diese Devise der letzten Jahre und Jahrzehnte trifft uns nun alle hart. Und es ist an der Zeit, umzudenken. Die Pferde müssen immer schneller in den großen Sport, um teurer vermarktet zu werden. Sie müssen immer häufiger, immer globaler in Prüfungen an den Start gebracht werden. Und scheinbar verlieren viele Reiter, die als Vorbilder dienen, dabei den Blick auf die Basis, die all das möglich macht.

Ohne Amateure wird es in der Zukunft nur noch Turniere, wie die jetzigen in Spanien, geben. Viele der ländlicheren Turniere werden von den Reitvereinen ausgerichtet, die nun mit voller Breitseite von den beiden Virus-Krisen getroffen werden. Um reiterlichen Nachwuchs zu bekommen und zu erhalten, sind aber genau diese Vereine mehr als notwendig.

Die Schere zwischen Amateur- und Berufsreitsport klafft leider immer weiter auseinander, aber das sollte eigentlich nicht sein. Denn am Ende sind wir doch alle aufeinander angewiesen!

Die FN rief jüngst eine Aktion mit dem Namen „Kurzarbeitergeld für Schulpferde“ ins Leben, von vielen Berufsreitern und Kaderathleten oftmals in den Social Media Kanälen geteilt. Aber ist das nicht eigentlich der Bereich, für den wir Spenden sammeln sollten? Um unseren gemeinsamen, geliebten Sport zu erhalten und uns solidarisch zu verhalten?

 

W.Feuser

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