Der Spezialtrainer für die Disziplin Gelände Rodolphe Scherer sprach mit buschreiter.de über die Badminton Horse Trials aus Sicht des deutschen Geländetrainers und über seine Eindrücke zur am Sonntag zu bewältigenden Geländestrecke.
,,Wenn man als Trainer zu diesem Event kommt, dann ist das Turnier schon deutlich ruhiger für einen als als Reiter. Als deutscher Trainer ist es natürlich auch nochmal entspannter als wenn man der britische Trainer mit vielen vielen Reitern an seiner Seite ist. Dennoch verspüre ich als Trainer am Geländetag einen höheren Druck als wenn ich selbst die Zügel in der Hand halte.” Das erzählt der Franzose Rodolphe Scherer im Interview mit buschreiter.de in Englisch mit unverwechselbarem französischen Akzent.
Seinen Eindruck über den Geländekurs stellt er wie folgt dar: ,,Badminton ist immer schwierig. Mein erstes Gefühl als ich den Kurs abgegangen bin war, dass es etwas fairer gebaut ist als im vergangenen Jahr. 2022 waren die Sprünge insgesamt sehr steil gebaut, in diesem Jahr ist der Kurs deutlich ausgeglichener und damit fairer für die Pferde. Das ist sehr positiv, was jedoch negativ und einfach unglücklich ist, ist das Wetter. Denn wenn der Boden sich durch den Regen verändert, wird dadurch auch der Kurs schwieriger. Wir hoffen auf keinen weiteren Regen heute Nacht, aber der Boden ist weich und das wird er vermutlich auch bleiben. Für Anna ist es positiv, dass sie bereits recht am Anfang dran ist, das wird vermutlich helfen.”
Er stellt auch klar, dass man sein Reiten, egal ob in Badminton oder auch in jedem anderen Geländekurs, den Gegebenheiten durch das Wetter anpassen muss: ,,Man muss bei so einem Boden noch mehr in die Pferde hinein hören.” Die Zeit wird seiner Meinung nach morgen eher zweitrangig sein: ,,Bei diesen Bedingungen wird es oberste Priorität haben, den Kurs sicher zu beenden. Was mit der Zeit ist, wird man dann später sehen. Wir werden uns die ersten Pferde ansehen und schauen, wie die Pferde auf den Boden reagieren. Wenn der Boden nicht so gut ist, dann neigt man eher dazu, die längeren Alternativen zu wählen, wenn man das aber einige Male macht, dann wird der Kurs wirklich sehr sehr lang. Die Pferde galoppieren ohnehin über 11 Minuten, die meisten wahrscheinlich eher 12 Minuten, mit Alternativen werden es dann schnell 13 Minuten und das ist wirklich lang.”
Über Annas Stute DSP Quintana P sagt er: ,, Sie ist eine leichtfüßige Stute und normalerweise sehr schnell, ich habe zu ihr gesagt, dass sie am Anfang vorwärts reiten muss, denn die Hindernisse sind wirklich mächtig. Aber im Verlauf der Prüfung darf man die Pferde auch nicht zu sehr pushen, man muss immer wieder in die Pferde hineinfühlen wo sie einmal durchatmen müssen und wo man sie auch mal in Ruhe machen lassen kann. Dann gibt es aber auch Situationen in denen es keine verschiedenen Optionen gibt, dort muss man die Pferde im richtigen Moment unterstützen. Generell hilft auch bei eher schwierigen Bodenverhältnissen trotzdem tendenziell eher positives nach vorne Reiten, denn wenn man zu langsam reitet, dann spart man zwar etwas Kraft auf der Galoppstrecke, jedoch sind die Sprünge für die Pferde dann deutlich anstrengender und unter dem Strich ist man auch länger unterwegs was wiederum Kraft kostet.”
Aufgrund der bereits angesprochenen Wetterverhältnisse hat sich der Veranstalter dazu entschieden ein paar Veränderungen am Kurs vorzunehmen. An der Länge der Strecke oder der Optimumzeit wurde zwar nichts verändert, jedoch wurden an zwei Hindernissen, wie z.B. den berühmten Steinmauern, dem ,,Quarry”, einzelne Elemente der Kombinationen herausgenommen, um den Kurs an die Verhältnisse anzupassen. Rodolphe Scherer sagt dazu: ,,Ich denke die Veränderungen sind eine positive Entscheidung und wurden an den Stellen vorgenommen wo der Kursdesigner nicht sicher sein kann, dass der Boden gut genug bleibt, um allen startenden Pferde gleiche Chancen zu gewährleisten. Das Quarry z.B. ist recht am Ende der Strecke und die Pferde werden vielleicht schon etwas müde sein, der herausgenommene Sprung ist sehr steil und die Absprungstelle könnte recht tief werden, daher ist es gut, dass es etwas leichter für die Pferde gemacht wurde. Jedoch ändert dies nichts daran, dass es ein sehr schwieriger und anspruchsvoller Geländekurs ist. Das muss auch so sein, jedoch hat es höchste Priorität, dass es für die Pferde fair ist.”
Fast alle Hindernisse auf der Geländestrecke werden morgen von zahlreichen Zuschauern gesäumt sein, denn der Geländetag für Badminton ist bereits restlos ausverkauft und es wird vor Ort keine Tickets mehr geben. Welche Hindernisse schlussendlich besonders einflussreich für die Rangierung sind, lässt sich im Vorhinein oftmals schwierig bewerten und nicht selten kommt es an dem Hindernis zu dem sich vorher die Reiter viele Gedanken gemacht haben, kaum zu ,,Vorbeiläufern.” Die Prognose des Bundestrainers dazu sieht folgendermaßen aus: ,,Hindernis 21, eine nach links offene Hecke könnte von einigen Reitern unterschätzt werden. Ich denke man muss dieses Hindernis sehr ernst nehmen und auch so reiten. Es ist relativ am Ende des Kurses und erscheint auf den ersten Blick gar nicht so schwierig. Das könnte ein Sprung sein an dem der ein oder andere einen sehr ärgerlichen Vorbeiläufer kassieren könnte. Außerdem passiert es oftmals, dass sich ein Stopp schon früher ankündigt. Wenn man einen schlechten Sprung hat, dann muss man den nächsten Sprung umso besser reiten, denn Stops passieren oft nach nicht idealen Sprüngen. Ein Beispiel: Am Big Lake hat man am Anfang eine Ecke und dann im Wasser zwei Sprünge später noch einmal nahezu die gleiche Ecke. Wenn man die erste Ecke nicht ideal erwischt, dann passiert es schnell, dass man dann an der zweiten Ecke die 20 Punkte kassiert. Man muss also bei jedem Hindernis sein Reiten darauf abstimmen was am letzten Sprung war und was am nächsten Sprung verlangt wird. An den beiden weißen Gattern Sprung 6a/b gibt es etwa die Möglichkeit innen oder außen um die Dekoration zu reiten und somit einige Sekunden zu verlieren oder gut zu machen. Es gehen hier auf 5* Niveau nur Pferde an den Start die beides können, jedoch muss der Reiter auf dieser Linie nach seinem Gefühl entscheiden, was er riskieren kann und möchte und in sein Pferd hineinhorchen. Auch die zahlreichen Zuschauer sind sehr besonders für die Pferde, das ist für einige Paare, wie auch für Anna und Quintana eine neue Erfahrung.”
Anna und Rodolphe sind den Kurs seit Donnerstag drei Mal gemeinsam abgegangen und morgen früh wird Anna noch einmal alleine für sich durchgehen und sich voll fokussieren. Sehr nah am Abreiteplatz für das Gelände gibt es außerdem eine Liveübertragung des Geländes die Rodolphe vor Annas Start genau verfolgen wird, um ihr die ein oder andere Information über den Kurs mitgeben zu können: ,,Ich versuche so viele Pferde wie möglich zu schauen, denn auch wenn man sehr konzentriert abgeht und sich viele Gedanken macht, bekommt man durch die Bilder noch einmal einen genaueren Eindruck über einzelne Linien und die Bodenverhältnisse. Normalerweise hat man am Anfang einige Topreiter die mit zwei Pferden starten, sodass diese Ritte einem gute Hinweise auf die Reitbarkeit des Kurses geben. Das kann helfen. Nichtdestotrotz ist jedes Pferd individuell, das darf man nie vergessen.” Für das Abreiten sind aus Rodolphes Sicht keine große Änderungen zu anderen Turnieren notwendig: ,,Die beiden haben viel Erfahrung zusammen, denn am Ende ist auch Badminton ein normaler Wettkampf für die Stute, die beiden haben schon viele schwierige Kurse zusammen gemeistert. Man darf bei so einem Turnier nicht zu viel ändern wollen, denn wenn man es bis hier geschafft hat, dann, weil man als Team gut ist. Wenn der Boden sehr weich sein sollte, dann wird sie wahrscheinlich beim Aufwärmen nicht zu viel Energie verbrauchen wollen. Es ist wichtig, dass die Pferde warm sind, aber nicht mehr als das.”
Zum Abschluss als Ausblick auf morgen und das restliche Wochenende sagt Rodolphe: ,,Wir wissen nicht, ob die beiden morgen gewinnen werden oder ob alles klappt, aber Anna wird über den Kurs so viel lernen, mitnehmen und daran wachsen. Sie hat schon durch die Reise, den Dressurritt im großen Stadion und das Abgehen des Kurses viel gelernt und das wird morgen auch der Fall sein.”
In diesem Sinne drückt die buschreiter.de Redaktion alle Daumen zu Annas und Quintanas Startzeit um 12:18 Uhr (13:18 Uhr deutscher Zeit) am Sonntag und bedankt sich bei Rodolphe Scherer für das ausführliche und interessante Interview.