Die letzte Teilprüfung wirbelte das Ranking nach dem Gelände noch einmal ordentlich durcheinander und sorgte für einen spannenden Sonntag Nachmittag im Springstadion auf dem Turnierplatz in der Westergellerser Heide. Das fachkundige Publikum verfolgte alle Ritte gespannt und so aufmerksam, dass man bei den Ritten der Top 10 vermutlich eine Stecknadel hätte fallen hören können. Schlussendlich setzte sich Yasmin Ingham mit ihrem Dunkelfuchs Banzai du Loir gegen die Konkurrenz durch. In der Wertung zur Deutschen Meisterschaft Vielseitigkeit behielt Michael Jung trotz eines Abwurfes die Oberhand und gewann mit fischerChipmunk FRH den Titel.
Am Aussprung der dreifachen Kombination touchierte fischerChipmunk FRH den Oxer leicht und die Stange fiel trotz einer ansonsten stilistisch brillanten Runde zu Boden. Das kostete Jung zwar den Sieg der CCI4*-S und eine Differenz von 3300€ bezogen auf das zu gewinnende Preisgeld. Jedoch konnte er damit immer noch den Einzeltitel Deutscher Meister Vielseitigkeit für sich beanspruchen und das schon zum fünften Mal in seiner Karriere. Den hatte er sogar schon sicher als er mit Chipmunk in den Parcours einritt, da sein ,,Zweitpferd“ Kilcandra Ocean Power schon eine Top-Nullrunde vorgelegt hatte und die Prüfung schlussendlich auf Rang 4 beendete. Über die Leistung seines Fuches freute sich Jung an diesem Wochenende ganz besonders: ,,Kilcandra Ocean Power hatte hier eine Top Woche und über seinen Erfolg habe ich mich ganz besonders gefreut, bei Chipmunk bin ich diese Form ja schon etwas mehr gewohnt. Richtig enttäuscht war ich über den Fehler von Chipmunk nicht, aber es war natürlich schon ärgerlich, besonders weil alles andere bestens geklappt hat.“ Auf der Ehrenrunde zeigte Jung dann noch einmal wie rittig sein mittlerweile 16-jähriger Contendro-Sohn ist und wie sehr die beiden sich vertrauen. Er ritt ihn im Galopp so nah am Zaun entlang, sodass die Zuschauerinnen und Zuschauer in der ersten Reihe den frisch gebackenen Deutschen Meister abklatschen konnten. Eine tolle Geste für das Luhmühlener Publikum, welches von zahlreichen Reitern im Verlaufe des Wochenendes ausdrücklich gelobt wurde. Sandra Auffarth sagte beispielsweise: ,,Das Publikum war mega! Das macht einen riesen Spaß hier zu reiten.“ Ähnlich sah es auch ihr Reiterkollege Michi Jung, der nur lobende Worte für den Ausrichter und das Publikum in seiner kurzen Laudatio während der Siegerehrung fand.
Silber und Bronze für Auffarth und Böckmann
Da die Reiter den Regeln nach nur mit dem besser platzierten Pferd in der Meisterschaftswertung berücksichtigt werden, rückte die Fünftplatzierte der 4*-Prüfung auf den Silberrang in der Meisterschaftswertung an Stelle von Kilcandra Ocean Power auf: Sandra Auffarth präsentierte ihren Viamant du Matz so gut wie selten über alle drei Disziplinen hinweg. Insbesondere in der Dressur, der Disziplin wo die beiden in der Vergangenheit noch das ein oder andere Pünktchen hatten liegen lassen, zeigten sie sich mit fast 73 Prozentpunkten deutlich verbessert: ,,Hier haben wir einfach über die Zeit nochmal an vielen kleinen Stellschrauben gearbeitet. Außerdem macht es einen großen Unterschied, dass Anne-Kathrin Pohlmeier uns so engmaschig betreut und auch auf dem Abreiteplatz bis zur letzten Minute dabei ist und uns auf den Punkt vorbereitet. Tatsächlich glaube ich auch, dass da sogar noch ein paar Prozente mehr drin sein könnten. “ Der Parcours, stellte die hochdekorierte Springreiterin und ihren ,,Mat“ vor keine großen Herausforderungen. Motiviert und routiniert durchlief er den Parcours und berührte dabei keinen der 15 zu überquerenden Sprünge. Ihr Endresultat lautete -32,8 Punkte. Die Schleife durfte jedoch nicht Viamant du Matz persönlich entgegennehmen, er ist nämlich kein großer Fan von Siegerehrungen. Stattdessen durfte Crazy Carlotta, das Pferd von Johanna Marloh mit Auffarth im Sattel auf die Ehrenrunde gehen.
Den vielleicht größten Erfolg seiner bisherigen Karriere konnte Calvin Böckmann mit Altair de la Cense feiern. Der 23-jährige Sportsoldat belegte bei seinen zweiten Deutschen Meisterschaften im Seniorenlager direkt den dritten Platz. Im vergangenen Jahr war er mit The Phantom Of The Opera am Start und wurde damals in der Meisterschaftswertung Sechster. Besonders glücklich war Calvin darüber, dass er und ,,Ali“ wieder zu altem Vertrauen zurückfinden konnten: ,,In der zweiten Jahreshälfte letztes Jahr war bei uns das gegenseitige Vertrauen etwas verloren gegangen. Das haben wir uns nun langsam wieder erarbeitet und sind hier die zweite 4*-Prüfung in diesem Jahr geritten und ohne große Erwartungen angereist. Leider lief die Dressur nicht so super, da sind noch einige Punkte, die wir verbessern können. Aber ich wusste, dass ihr der Kurs hier liegt, da die Zeit eher eng bemessen ist. Sie war im Gelände zu jeder Zeit zu 110% bei mir und hat einfach einen mega Job gemacht.“ Mit -33,9 Punkten belegte der Silbermedaillengewinner der U25-Meisterschaft 2024 in der offenen CCI4*-S außerdem Platz 6 und konnte die Wertung zum U25 Förderpreis für sich entscheiden.
Teurer Fehler für Krajewski
Ursprünglich auf Medaillenkurs war die Titelverteidigerin Julia Krajewski mit dem 10-jährigen Nickel gewesen. Sie lag vor dem Springen in der Meisterschaftswertung auf dem zweiten Platz und ritt in neuem Look mit schickem grün-grauen Jackett ein. Jedoch lag das Starterfeld so nahe beisammen, dass ein Hinterhandfehler am Einsprung zur luftig gebauten zweifachen Steil-Steil-Kombination sie diese Medaille, trotz einer ansonsten makellosen Runde kostete. Sie landete schlussendlich auf Rang 6. Vor sie schieben konnte sich noch Jérôme Robiné, der mit Black Ice zu den Klängen des Klassikers ,,Cold as Ice“ aus den Lautsprechern eine fehlerfreie Runde im Parcours absolvierte und in der Meisterschaftswertung in die Top 5 ritt.
Weltmeisterin Ingham präsentiert sich kurz vor der Olympia Nominierung in Bestform
In der offenen Wertung der CCI4*-S gaben die Briten den Ton an: Yasmin Ingham ritt mit Banzai du Loir eine Nullrunde wie aus dem Lehrbuch und setzte damit den bis dato Führenden Michael Jung unter Druck für den Gesamtsieg ,,Null“ reiten zu müssen. Als dieser dann tatsächlich einen Hinterhandfehler am Oxer, dem Aussprung der dreifachen Kombination hatte, profitierte die 27-jährige, die mit ihrem anderen Pferd Rehy DJ am Morgen bereits Dritte in der CCI5*-L geworden war. Sie gewann die Prüfung schlussendlich mit -29,3 Punkten und dürfte damit ihrem Traum vom Ritt vor dem Schloss in Versailles ein Stück näher gekommen sein. In der Pressekonferenz sagte sie: ,,Es war ein sehr wichtiges Wochenende für mich und es war auch eine Menge Druck dabei. Banzai war das ganze Wochenende über perfekt, er ist in allen drei Disziplinen sehr sehr gut und ich schätze mich sehr glücklich einen solchen Athleten reiten zu dürfen.“
Ebenfalls vor Jung schob sich Dank einer Nullrunde auch noch Tom McEwen (GBR) mit seinem von Volker Göttsche-Götze gezogenen Diarado Sohn JL Dublin und einem Endergebnis von -29,6 Punkten. Wie die britische Nominierung für Paris, die in der nächsten Woche gefällt werden soll, ausfallen wird, hängt nun auch maßgeblich davon ab wie schlimm die Verletzung von Laura Colletts London 52 tatsächlich ist. Laut der Reiterin hat sich London während des Geländerittes in der CCI4*-S am Samstag eine geringfügige Verletzung am Kronrand zugezogen, sodass sie zu Gunsten einer raschen Genesung auf einen Ritt am Sonntag verzichtete. Sie hatte bis dato auf dem zweiten Rang gelegen.
Daten & Fakten
Von den ursprünglich 66 gestarteten Paaren gingen im Parcours noch 50 Pferde in die letzte Teilprüfung. Es waren viele harmonische Runden und gut sowie frisch springende Pferde zu beobachten. Auch die einzuhaltende Zeit war bei weitem nicht so eng bemessen wie in der 5*-Springprüfung. Insgesamt sprangen 19 Pferde fehlerfrei, weitere fünf Pferde kamen lediglich mit Zeitfehlern ins Ziel.
Einen Sonderehrenpreis für die die beste Geländerunde, gegeben vom Club Deutscher Vielseitigkeitsreiter, erhielt außerdem Anna Siemer, die mit 6:53 Minuten mit ihrer bewährten FRH Butt’s Avondale den schnellsten Ritt in der CCI4*-S absolvierte.
Wertung zur Deutschen Meisterschaft
Fotogalerie Lutz Kaiser – datenreiter.de