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Nach Olympia ist vor den Paralympics

Ein Interview mit Pepo Puch auf dem Weg zu den paralympischen Spielen in Tokyo

Portrait Pepo Puch

Jahrgang 1966, inkomplett querschnittgelähmt nach einem Halswirbel-Bruch infolge eines Sturzes während einer Vielseitigkeitsprüfung im Jahre 2008. Lange Klinik- und Rehaaufenthalte folgten. Pepo begann 2010 mit dem Parasport, sein erster Turnierstart war in Moorsele (BEL). Zuvor ritt er Vielseitigkeiten bis zur schweren Klasse.

 

Erklärung zum Parasport und Grade II

ReiterInnen werden aufgrund ihrer Beeinträchtigungen in fünf sog. Grades klassifiziert – dabei geht es nicht um bestimmte Behinderungen, sondern um die vorhandene Funktionalität, also Muskelkraft, Gelenkbeweglichkeit und Koordination. Auf Antrag dürfen bestimmte Hilfsmittel (Spezialsättel, Handgriffe, Gummibänder am Steigbügel, Zügel mit Schlaufen etc ) benutzt werden.

In Grade I wird nur Schritt geritten, Grade V entspricht einer M-Dressur. In der Kür dürfen auch Lektionen mit höherem Schwierigkeitsgrad gezeigt werden.

Grade II verlangt Aufgaben im Schritt und Trab und Lektionen wie Schenkelweichen, Volten, Zirkel und (besonders wichtig) das Halten.

 

Fangen wir mal mit dem Fun Fact an: Du warst bei den Weltreiterspielen 1990 in Stockholm im Distanzreiten am Start ?!

Ja, wir hatten damals einfach top konditionierte VS-Pferde. Unser Stall war auf 1000 Meter, im Training kamen wir oft hoch bis auf 2000 m. Aufgrund einer Wette sind wir zu den österreichischen Meisterschaften gefahren, ritten die 160 km in 11 h auf ganz normalen Geländesätteln und wurden daraufhin nominiert. Ich war in Stockholm mit meiner engl. Vollblutstute Flip Flop And Fly, habe aber nach 80 km aufgehört.

 

Wie trainierst Du Deine Pferde? Was ist Dir bei der Haltung wichtig?

Meine Pferde werden trainiert wie früher meine Militarypferde auch: Abwechslung ist das Wichtigste! Viele Ausritte stehen auf dem Programm, die übernimmt meine Frau Michele oder mein Schwiegervater Alfred „Ali“ Schwarzenbach (Schweizer Olympiareiter in der VS und mittlerweile stolze 80 Jahre alt !). Galopptraining am Berg, Wasserdurchritt, Wellen… alles, was Balance und Kondition fördert. Die Haltung orientiert sich am Pferdewohl, sie gehen in einer kleinen Gruppe auf die Koppel (nur vor Großereignissen nicht wegen der Verletzungsgefahr).

 

 

Viel ist passiert seit Rio: Dein langjähriges Erfolgspferd, die Stute Fine Feeling S, wurde mit 23 Jahren eingeschläfert, jetzt reitest Du die Hannoveraner Wallache Sailor´s Blue (58 Starts, 43 Siege) und Fürst Chili, beide sind im Trainingslager in Aachen dabei.

Rappwallach Sailor´s Blue ist mein Routinier, 13 Jahre ist er alt und stammt ab von Swarovski (Sohn des Sandro Hit) aus einer Arogno-Mutter  – er kam von Heike Kölle (unserer späteren Team-Tierärztin) zu Kai Rüder, dort habe ich ihn entdeckt. Er ist für mich genau der richtige Typ Pferd, reagiert sehr sensibel auf Stimmhilfen und die zwei Gerten, lässt sich von meiner Spastik (Unterschenkel zuckt unkontrolliert) nicht aus der Ruhe bringen und hat genug Go. Fürst Chili ist ein „erst“ 12 Jahre alter Fuchswallach von Fürst Romancier aus einer Rotspon-Mutter, der vorher unter einer Amateurin L-Dressur ging. Wichtig für mich ist: die Pferde dürfen nicht zu weit ausgebildet sein, denn sie müssen sich an mich und meine Art zu reiten einstellen.

 

Hast Du VS bei Olympia verfolgt? Noch Verbindungen in die Busch-Szene?

Natürlich: mein Herz liegt noch immer in der Vielseitigkeit. In Rio habe ich mir den Kurs anschauen können und möchte auch den von Tokio sehen. Im TV fand ich die Strecke extrem selektiv, die häufigen Richtungswechsel, sehr schmalen Elemente und das daraus resultierende Springen aus niedrigem Tempo sehe ich kritisch. Im Sport generell finde ich Sicherheitssysteme wichtiger denn je, aber gerade für kleine Veranstalter muss ein System entwickelt werden, das preiswert und von den Hindernisrichtern einfach zu bedienen ist. Falls abwerfbare Teile fallen, sollte es erst dann bestraft werden, wenn gefährliches Reiten im Spiel ist. Reines Touchieren sollte nicht bestraft werden.

 

Wie sieht Deine Vorbereitung für Tokio aus, wann geht der Flug? Wer kommt mit?

Coronabedingt konnte ich dieses Jahr mit beiden Pferden nur je zwei Turniere bestreiten. Am 9.8. ging es für mein Team und mich nach Aachen, dort bereiten wir uns auf dem CHIO-Gelände vor und sind dort wie die US-Amerikaner und europäischen Teilnehmer (GER, ITA, DEN u.a.) in Quarantäne (der berühmt-berüchtigten „Bubble“), trainieren auch unter Flutlicht, nur die Engländer machen ihr eigenes Ding. Am 19. geht es dann nach Tokio.

 

Erzähl von Deiner Kürmusik – woher hast Du die Idee, wer hat sie komponiert?

Früher hatte ich oft österreichische Musik: Walzerkönig Johann Strauß z.B. Für Sailor´s Blue ist es diesmal Jazzmusik aus der „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin geworden, Fürst Chilis Kür ist mit Musik vom deutschen Filmkomponisten Hans Zimmer unterlegt. Welcher der beiden schließlich mitgeht nach Tokio, entscheiden wir erst in Aachen.

 

Wen zählst du zu Deinen Haupt-Konkurrenten? Lee Pearson (GBR), eine lebende Legende mit elf (!) paralympischen Goldmedaillen und 14 Weltmeistertiteln, reitet auch Grade II. Tokio werden seine sechsten Paralympics sein, der 47jährige, der von der Queen zum Ritter geschlagen wurde, startet dort zum ersten Mal mit einem selbstgezogenen Pferd, dem neunjährigen „Breezer“. 

Zehn bis zwölf Starter sind in meinem Grade dabei, außer Lee auch noch vier bis fünf, die in die Medaillenränge reiten können. Die Leistungsdichte ist wahnsinnig hoch und sicher wird auch die Tagesform entscheidend sein.

 

Vielen Dank fürs Interview! Wir drücken die Daumen für Tokio…

(das Telefon-Interview führte Julia Rau)

Das ist Pepo Puch

 

Pepo (eigentlich Josef) hat erst mit 15 Jahren angefangen zu reiten, saß damals auf Haflingern eines Freundes. Er ist in einem winzigen Bergdorf in der Steiermark mit Skifahren und Bergsteigen aufgewachsen.

 

Er machte die Ausbildung zum Schornsteinfeger („Ein Saisongeschäft – viel zu tun im Winter, im Sommer hatte ich dadurch Zeit zum Reiten“), hat seit 30 Jahren seine eigene Firma.

 

War bei Weltreiterspielen Teilnehmer in drei (!) Disziplinen: im Distanzreiten (WEG Stockholm 1990), Vielseitigkeit (WEG Aachen 2006) und Para-Dressur (WEG 2014/2018).

 

Er ging seit 1996 für Kroatien in der Vielseitigkeit an den Start, belegte bei Olympia in Athen 2004  Platz 63, hat die CCI****s  (jetzt CCI*****s) Badminton und Burghley beendet.

 

Auch seine Schweizer Frau Michele (Enkelin von Badminton-Sieger 1952 Hans Schwarzenbach) ritt Vielseitigkeit: sie war u.a. 2002 bei der WM in Jerez de la Frontera am Start. Später ritt sie Gadget de la Cere, der 2004 zu Dirk Schrade wechselte und unter ihm hocherfolgreich war: u.a. ein dritter Platz beim CCI**** Luhmühlen (heute Fünfsterne). Tragisch: sein Ausscheiden am vorletzten Sprung nach einer phantastischen Geländerunde bei den WEG 2010 in Kentucky.

 

Seine Tochter Lou-Charlotte (14) gewann 2018 die Silbermedaille bei der Österreichischen Meisterschaft der Nachwuchsspringreiter, war dieses Jahr bei der Europameisterschaft Children in Vilamoura (POR) am Start und verpaßte im Stechen nur knapp eine Medaille.

 

Der irische Vollblüter The Who (* 1995, der heute auf einer Koppel in Norddeutschland sein Rentnerdasein genießt) ging 2007 das CCI**** Burghley ohne Hindernisfehler, ab 2010 erfolgreich im Parasport. „Er war und ist ein echter Gentleman.“

 

Pepo Puch gewann zweimal Gold, einmal Silber und einmal Bronze bei vier Starts bei den Paralympics 2012 und 2016 (es gibt zwei Medaillensätze – für den sog. Championship Test und die Kür)

 

Er lebt am Greifensee in der Nähe von Zürich, trainiert wird er von Markus Graf, seiner Frau und seinem Schwiegervater.

 

Sein Motto „Was denkbar ist, ist machbar.“

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