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Mit Vollblut in die Zukunft 2.0

Ferdinand Leves Veranstaltung mit Fokus auf Warmblutzüchter erneut ein voller Erfolg

Am 13. Oktober 2023 fand in Baden-Baden vor repräsentativer Kulisse bereits die zweite Auflage der besonders an Warmblutzüchter gerichteten Veranstaltung „Mit Vollblut in die Zukunft“ statt.

Ferdinand Leve und sein Team haben es sich als Vollblutenthusiasten zum Ziel gesetzt, die  Faszination und das enorme Wissen um die Zucht und Bedeutung von Vollblütern in die Warmblutzucht zu tragen. Das Programm in Baden-Baden hielt für diesen Zweck vor toller Kulisse nach 2022 bereits zum zweiten Mal interessante Referenten, ein vielfältiges Programm und – das Wichtigste – spannende Pferde aus dem Auktionslot bereit. Offene Türen und eine beeindruckende Atmosphäre konnten Warmblutzüchter aus allen Teilen Deutschlands erleben, als sie sich bei strahlendem Herbstwetter in Baden-Baden trafen. Gregor Baum begrüßte als Vorsitzender der Besitzergemeinschaft das Auditorium und hieß es mit einem Blick in das Zuchtziel des Vollblüters in Baden-Baden willkommen, bevor er das Mikrofon an die ersten Referenten übergab.

Zunächst wurden anhand ausgesuchter Vollblutjährlinge und -Stuten aus der aktuellen Kollektion deren Pedigrees und Exterieurmerkmale erörtert. Das vorgestellte Lot wurde am Vortag von
Frank Weißkirchen, Ferdinand Leve und Elmar Lesch sorgfältig und vielseitig zusammengestellt. Während Ferdinand Leve als Vollblutzüchter mit Affinität zum Warmblut bekannt ist, kommen
Frank Weißkirchen und Elmar Lesch aus dem Warmblutbereich.
Alle drei verbindet die große Passion für Vielseitigkeit und Vollblutpferde. Ihre Auswahl bot einen hochinteressanten Querschnitt durch die Auktionskollektion und enthielt vom Rennpferd
über Fohlen, Jährlinge und Zweijährige auch tragende Zuchtstuten.„Lesehilfe“ für den Katalog Peter Brauer führte routiniert durch Abstammungen und Rennleistung, so dass die Zuhörer an seinem über Jahre erworbenen Wissensschatz teilhaben konnten. Ein in Anlehnung an die Prüfung
der Pferdewirte und Pferdewirtinnen aus der Fachrichtung Rennreiten gestaltetes Handout mit einer „Lesehilfe“ für den Katalog und grundlegenden Informationen zu Vollblutzucht und -rennen
ermöglichte dem interessierten Publikum einen fachlichen Einblick in die dann nicht mehr ganz so unbekannte Materie vom GAG über Grupperennen bis zu der Bedeutung von fettgedruckten
Buchstaben. Die drei für diesen Programmpunkt eingeladenen Referenten aus der Warmblutzucht beurteilten die für sie zunächst völlig unbekannten Pferde auf der Grundlage ihrer Funktion.
Elmar Lesch, Vielseitigkeitsreiter, Körkommissar des Trakehner Verbandes und Initiator der Top Eventers Auktion in der Lüneburger Heide, hatte die vorgestellten Pferde mit ausgewählt und
berichtete von seinen Beweggründen aus Sportlersicht. Neel-Heinrich Schoof blickte als Zuchtleiter des Trakehner Verbandes immer vor dem Hintergrund eines möglichen Einsatzes in der Trakehner Population auf die Kollektion. Sportliche Aspekte, hier besonders die mögliche Springeignung, spielten daher in seiner Kommentierung eine große Rolle.

Astrid von Velsen, Landoberstallmeisterin im Haupt- und Landgestüt Marbach ist nicht nur bekannt als Liebhaberin und Förderung von Blutpferden, sondern stets auf der Suche nach passenden Vollbluthengsten für ihre Besamungsstationen. Sie kommentierte die jungen Vollblüter ebenfalls mit der „Brille“ der Warmblutzucht, die sie berufsbedingt auf ganzheitlicher und zuchtverbandsübergreifender Ebene betrachtet. Der Anblick der mit Trense und teilweise beschlagen vorgestellten Jährlinge führte bei dem ein oder anderen warmbluterfahrenen Zuschauer zu größerem Erstaunen. Anders als in der Reitpferdezucht, in der die jungen Pferde nach der Fohlenzeit erst wieder im Alter von drei Jahren beurteilt und zwischendrin nicht näher in  Augenschein genommen werden, standen hier zum Teil Jährlinge auf der Bühne, die sich „trotz“  ihres Alters sehr weit entwickelt und durchaus beurteilungswürdig zeigten. Die eloquent dargestellten Beurteilungen der Körperformationen machten deutlich, wie individuell die Experteneinschätzungen und -beurteilungen eines Individuums in Abhängigkeit von Zuchtziel und Verwendungszweck sein können.

Präsentation von Jährlingen
Im zweiten Programmpunkt des Tages ging es um die Vorbereitung und marktgerechte Präsentation von Vollblutjährlingen für die Auktion. Der hier angesprochene Markt war für die  anwesenden Zuschauer aus dem Warmblutbereich weitgehend Neuland, so dass sie den Ausführungen aufmerksam folgten, als Stefan Ullrich aus dem Alltag der Auktionsvorbereitung erzählte. Der Fährhofer Gestütsleiter begann seinen Vortrag mit kritischen Worten, als er anmahnte, den ursprünglichen Typ des deutschen Vollblüters nicht zu sehr dem Markt unterzuordnen oder für den Mark zu verändern. Er meinte damit einen Käufermarkt, der vor allem
nach kurzen, kompakten und früh einsetzbaren Sprintern verlange, dies jedoch nicht der ureigenen deutschen Zuchtphilosophie entspräche.
Klare Worte fand der erfahrene Gestütsleiter auch im Hinblick auf das Management und die optimale Vorbereitung der Jährlinge. Es stehen insgesamt maximal 18 Monate ab der Geburt bis zur Auktion zur Verfügung, daher sei die akribische Betreuung und Versorgung der jungen Pferde ab dem ersten Tag von größter Bedeutung. Da es keinen perfekten Jährling gäbe, sei es Aufgabe der Menschen, ihm dabei zu helfen, seine Stärken zu zeigen und seine Schwächen zu  kompensieren, erläuterte Ullrich seine Meinung.
Nicht nur der Schmied, der bereits in den ersten Lebenswochen eines Vollblüters zur Beratung hinzugezogen werden sollte, auch die robuste Haltung mit viel Bewegung und bester Fütterung sorge bereits vor der eigentlichen Auktionsvorbereitung für eine optimale Entwicklung der zukünftigen Rennpferde. Täglicher Umgang, Gewöhnung an Alltagssituationen wie Abspritzen oder Eindecken und nicht zuletzt das kontinuierliche Führtraining sowie ein leichter Beschlag sollen das junge Pferd bestmöglich auf zukünftige Aufgaben vorbereiten. Bis zu 70 Besichtigungen hat ein gefragter Jährling während der Auktionstage in Baden-Baden zu absolvieren, so dass er für einen durchgehend guten Eindruck in Verhalten und Körper optimal konditioniert sein muss. Ullrich machte deutlich, dass ein Pferd mit noch so gutem Pedigree seine Züchter und Besitzer vielleicht vom Derby träumen lasse, bei schlechter Verfassung jedoch keine Käuferinteressen wecken könne. Gesundheit und Typ bei bestem Pflegezustand mit ausreichend Kondition bis zum letzten
Tag seien die wichtigsten Kriterien für einen guten Verkauf.
Begleitet wurde der Referent von drei bestens herausgebrachten Jährlingen aus dem Gestüt  Röttgen, die bei großer Gelassenheit seine Ausführungen unterstrichen.

Anforderungen der Vielseitigkeit
Mit Blick auf die Warmblutzucht ging es im dritten und letzten Programmpunkt des Tages um die Betrachtung der zielführenden Notwendigkeiten und Eigenschaften des modernen Vielseitigkeitspferdes.
Hier wurde Elmar Lesch begleitet von Dr. Annette Wyrwoll und Ulrike Sahm-Lütteken. Dr. Annette
Wyrwoll ist Pferdewirtschaftsmeisterin, ehemalige Olympiareiterin und Fachtierärztin für Pferde. Sie züchtet und reitet mit großer Passion vielseitige Pferde mit hohem Blutanteil und weiß auch aus beruflichem Kontext um die Ansprüche an moderne Vielseitigkeitspferde. Ulrike Sahm-Lütteken hat nach ihrer Ausbildung zur Pferdewirtin Tierzucht studiert und arbeitet seit dem Referendariat als Berufsschullehrerin für Pferdewirte in Köln. Auch sie züchtet Trakehner
Pferde, ist Fachbuchautorin und erfahren in funktionaler Exterieurbeurteilung. Sie hat 2012 die
Besitzertrainerprüfung abgelegt und ist als Mitglied zahlreicher Prüfungsausschüsse seit vielen Jahren auch bei Abschluss- und Meisterprüfungen der Fachrichtung Pferderennen aktiv. In Zusammenarbeit mit der Akademie Deutscher Galopp hat sie in diesem Jahr gefragte Onlineseminare zu Leistungs- und Exterieurbeurteilung von Rennpferden
angeboten.
Elmar Lesch stellte als Reiter und Verkäufer von Vielseitigkeitspferden seine Ansprüche an die vierbeinigen Extremsportler dar. Er machte deutlich, dass neben Pedigree und Ausbildungsstand
vor allem Gesundheit und Leistungsbereitschaft der Pferde über ihren Einsatz im Sport entscheide. Mutiges Springen, ausbalanciertes Galoppieren und vor allem Haltbarkeit seien die elementaren Eigenschaften eines modernen Vielseitigkeitspferdes, dessen Ausbildung viele Jahre dauere. Der interessante Einblick in seinen Alltag und die mit wertvollen Erfahrungen gespickten
Erzählungen unterstrichen seine zuvor bereits in der Exterieurbeschreibung dargestellten Schwerpunkte bei der Selektion von Vielseitigkeitspferden.
Dr. Annette Wyrwoll bezeichnete verschleißarme Bewegungsmuster, Grundschnelligkeit, genetisch abgesicherte Härte und unmittelbare Reaktionsfähigkeit neben absoluter Leistungsbereitschaft als die wichtigsten Kriterien für ein sehr gutes Vielseitigkeitspferd.
Auch ging sie auf das dringend benötigte vermögende Springen ein, das bei den nicht auf Springen selektierten Vollblütern häufig ein – wie sie es nannte – neuralgischer Punkt sei. Hier mahnte sie an, beim Einsatz von englischem Vollblut Hengste und Blutlinien zu nutzen, die selbst im Spring- oder Vielseitigkeitssport erfolgreich waren oder aber Linien zu wählen, die bereits in der Vergangenheit gut springende Nachkommen für die Warmblutzucht liefern konnten.
Gesund, trainierbar und wettbewerbsfähig wünscht sich Ulrike Sahm-Lütteken das gute Vielseitigkeitspferd. Wichtig sei bei aller Modernität der Blick auf die Haltbarkeit und eine realistische Einschätzung des Wettbewerbs, der durch den Wegfall von Rennbahn und Wegestrecke auch „weicheren“ Pferden den Weg in den Sport ermögliche. Um die Vielseitigkeit dennoch attraktiv und für alle Beteiligten möglichst ungefährlich zu gestalten, sei eine Beschäftigung mit den harten Blutlinien im Vollblutbereich unumgänglich. Und auch wenn Renn- und Vielseitigkeitspferde mit dem Herzen und ihrer Lunge gewinnen, sei der Blick auf gesundheitsrelevante Exterieurmerkmale besonders vor dem Hintergrund der langen Ausbildungszeit auch aus wirtschaftlichen Interessen von großer Bedeutung.

Text: Veröffentlichung mit freundlicher Geehmigung durch Ulrike Sahm-Lütteken

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