2019 führte die FEI das neue Prüfungsformat ,,CCI1*-Intro“ ein, um den Einstieg in den internationalen Vielseitigkeitssport für Reiter und Pferde zu erleichtern. Die Prüfung wird seitdem sehr gut angenommen und zieht häufig große Starterfelder an. Doch wie hat sich seit der Einführung das Angebot an Vielseitigkeiten in Deutschland verändert? Buschreiter.de hat mit einem Course Designer und Veranstalter, einer Profi-Reiterin sowie einer Amateur- und Nachwuchsreiterin gesprochen und einen Versuch gewagt die Vor- und Nachteile des noch recht neuen Formates zu beleuchten.
Im Manual der FEI zum Aufbau von internationalen Vielseitigkeitsprüfungen heißt es zur CCI1*-Intro: ,,Das Ziel der Prüfung ist es, Pferde und Reiter an verschiedene Hindernistypen und einfache Abfragen heranzuführen. Der Fokus liegt auf der Ausbildung von Reiter und Pferd. Der Kurs sollte einladend, ausgewogen sowie flüssig zu reiten sein und das natürliche Terrain des Geländes nutzen.“ Die Höhe der Hindernisse beträgt dabei bis zu 1,05 Meter, der Kurs darf maximal 3000 Meter lang sein und das Tempo beträgt 500 Meter/Minute. Im Springparcours darf die Hindernishöhe bis zu 1,10 Meter betragen. Besonders ist, dass es den Reitern in der Dressurprüfung freigestellt wird, ob sie in den Lektionen im Trab leichttraben oder aussitzen wollen. Die Anforderungen sind somit im Vergleich zu nationalen Prüfungen an der Grenze zwischen A** und L* Vielseitigkeiten anzusiedeln.
Als Qualifikationskriterium müssen deutsche Reiter-Pferde Paare lediglich eine Platzierung in Geländepferdeprüfung A**, Stilgeländeritt A**, VA* oder ein MER in VA** oder ein Ergebnis ohne Abzüge in einem Geländeritt A** oder einer Geländepferdeprüfung L vorweisen. Erfahrene Reiter mit FEI Kategorie A, B oder C benötigen keinerlei Vorerfolge mit dem betreffenden Pferd vor einem Start auf Intro-Level.
Entwicklung des Prüfungsangebotes über die letzten Jahre
Im ersten Jahr nach der Neueinführung 2019 wurden europaweit 30 CCI1*-Intro Prüfungen ausgeschrieben. 2024 waren es europaweit schon 79 Intro-Prüfungen. 2019 und 2020 wurden in Deutschland noch keine Prüfungen auf dem neuen Level ausgerichtet (2020 möglicherweise beeinflusst durch die Corona-Pandemie), 2021 gab es dann zwei CCI1*-Intros und 2024 wurden 12 Prüfungen Deutschlandweit ausgerichtet (Quelle: FEI Database).
Doch wie hat sich das Angebot an nationalen Vielseitigkeiten analog dazu verändert? Besonders deutlich wird eine Veränderung im Bereich der Vielseitigkeit Klasse L: Während 2018 bundesweit noch 58 VL-Prüfungen ausgeschrieben wurden, waren es 2024 nur noch 34. Das entspricht einem Rückgang um rund 41%. 2018 gab es bundesweit 90 Vielseitigkeiten Klasse A, 2024 waren es noch 78. Dies bedeutet einen Rückgang um rund 13% (Quelle: https://www.turniersaison.de/reitturniere-vielseitigkeit/).
Interessant ist ebenfalls die Entwicklung der Anzahl international registrierter Pferde für Deutschland in der Disziplin Vielseitigkeit: 2018 waren noch 883 Pferde bei der FEI registriert, 2024 waren es 1109. Wie viele davon genau in Intro-Prüfungen an den Start gingen ist nicht bekannt. Ein Zusammenhang zwischen neuem Prüfungsformat und der Anzahl an registrierten Pferden liegt jedoch nahe. Da die Pferde bei der FN nicht spezifisch für eine Disziplin registriert werden, war eine vergleichende Datenerhebung auf nationaler Ebene hier leider nicht möglich.
Auch wenn die sportlichen Anforderungen an die Reiter-Pferde Paare im Vergleich zwischen Vielseitigkeiten der Klasse L und CCI1*-Intro Prüfungen auf den ersten Blick recht ähnlich zu sein scheinen, so zeigt sich insbesondere in puncto Nenngebühren ein sehr großer Unterschied: Die L-Vielseitigkeit auf Gut Waitzrodt in Hessen kostete die Teilnehmer 2024 gerade einmal 29€. Im Vergleich dazu zahlten Teilnehmer der CCI1*-Intro im rheinischen Rheurdt beispielsweise 120€, in Westerstede wurden 155€ verlangt. Spitzenreiter war preislich im näheren Ausland die Intro-Prüfung in Kronenberg mit 245€ (ohne Stallzeltbox und EADCMP-Gebühr).
Meinungen zur CCI1*-Intro aus der Vielseitigkeitsszene
Buschreiter.de sprach mit Uwe Meyer, dem internationalen Course Designer und Veranstalter der Turniere des Ammerländer Reitclubs in Westerstede. Der Reitverein richtete 2021 die erste CCI1*-Intro in Deutschland aus. Seitdem hat die Prüfung einen festen Platz bei der jährlichen internationalen Vielseitigkeit in Westerstede. Zur damaligen Entscheidung sagt er rückblickend: ,,Wir haben beobachtet, dass die ausländischen Veranstalter die Intro-Prüfungen schon früh mit gutem Nennerfolg angeboten haben. Als wir es dann probiert haben, war das Nennergebnis überwältigend. Man muss auch ganz klar sagen, dass es für uns als Veranstalter finanziell deutlich interessanter ist. Allein der Tierarzt kostet für uns um die 400€ am Tag plus Anfahrt und der Rettungsdienst kostet ebenfalls um die 100€ am Tag. Wenn dann da 25-30 Reiter für eine nationale VL kommen, dann ist das finanziell leider kaum zu stemmen. Das Feedback war im Nachhinein auch sehr positiv, denn die ländlichen Reiter reiten gerne bei einer Veranstaltung mit internationalem Flair und finden es toll hier hinein zu schnuppern. Auf der anderen Seite sind die Profis froh, wenn sie ihre Nachwuchspferde zum gleichen Turnier mitnehmen können wie ihre erfahreneren Pferde.“
Außerdem befürwortet Meyer die Ausbildung der Offiziellen von Seiten der FEI im Vergleich zum nationalen System: ,,Es ist am Ende für die Reiter auch ein Mehrwert, dass sehr gut ausgebildetes Personal auf den internationalen Turnieren zur Stelle ist, wie etwa die Stewards am Abreiteplatz. Bei der FEI wird viel Wert auf regelmäßige Fortbildung gelegt, meiner Meinung nach mehr als im nationalen Bereich, wo man alle paar Jahre zum Landesverband geht und einen Tag vor Ort ,absitzt.` So müssen wir alle drei Jahre eine Fortbildung besuchen und jedes Jahr einen Online Test absolvieren. Ist der nicht gut genug, muss man erneut ran. Ab 2025 muss für Intro-Prüfungen auch ein internationaler Aufbauer die Prüfung bauen, das war vorher nicht so. Meiner Meinung nach ist das sinnvoll, denn mein Eindruck ist, dass die Prüfungen durch die strengeren und genaueren Regularien seitens der FEI homogener gebaut sind.“
Jedoch sagt Uwe Meyer auch, dass es teilweise eine größere Herausforderung sei, die passenden Richter für die internationalen Prüfungen zu finden: ,,Es gibt natürlich schon einige Richter die schon viele Jahre dabei sind und sich zum Beispiel mit Englisch nicht so wohl fühlen. Die bleiben dann lieber im nationalen Bereich wo sie sich gut auskennen und wo es auch einfach etwas weniger aufwändig für sie ist. Da muss man dann teilweise schon Richter von weiter weg anfragen und zu sich einladen.“
Johanna Marloh ist 25 Jahre jung und wurde für 2025 mit ihrer Erfolgsstute Crazy Carlotta in den Bundeskader in der Vielseitigkeit berufen. 2024 konnte die angehende Pferdewirtschaftsmeisterin Erfolge auf 4*-Niveau feiern und brachte parallel dazu einige Nachwuchspferde in den Vielseitigkeitssport. Sie verbrachte mit ihren Pferden von 2021-2022 zwei Jahre in Großbritannien und erlebte dort, wie die nationalen Prüfungen eine deutlich größere Rolle spielen als in Deutschland: ,,Ich habe immer noch das englische Beispiel im Kopf und bin ein großer Fan des Systems. Den dort kann man auf vielen kleineren nationalen Turnieren Erfahrungen sammeln, ohne, dass es direkt ein internationales Turnier mit viel Flair ist. Das ist gerade für junge Reiter und Pferde schon sehr aufregend und es gibt von der FEI aus sehr viel zu beachten, was schon ein großer Aufwands- und Kostenfaktor ist. Man muss die Temperatur regelmäßig checken und eintragen, man benötigt eine FEI Registrierung und ggf. einen FEI Pass. Das ist, wenn man nicht gerade schon in der Szene drin ist, eine große Herausforderung und die bürokratische Hürde für den Einstieg ist meiner Meinung nach recht hoch. Auch gehen die Intro-Prüfungen häufig über mehrere Tage, was bei nationalen Prüfungen eher nicht der Fall ist. Nicht jeder will sich zwei oder drei Tage für eine einzige Prüfung freihalten und dann evtl. noch für ein Stallzelt zahlen. Ich habe auch gemerkt, dass einige jüngere Pferde schon mehrere Prüfungen auf kleinem Niveau benötigen, um Sicherheit zu erlangen. Dann jedes Mal eine Intro zu nennen, ist aber auch einfach mit sehr vielen Kosten verbunden und die sind nicht für jeden so einfach zu stemmen.“
Doch auch Marloh sieht trotz einiger kritischer Punkte auch Vorteile im Intro-Format: ,,Ich persönlich finde die Dressuraufgaben schöner und flüssiger zu reiten und durch das optionale Leichttraben in allen Aufgaben sehr pferdefreundlich. Auch denke ich, dass der Zwischenschritt sinnvoll ist, denn der Step von VA oder VL zu 2* ist dann häufig doch recht groß. Dennoch finde ich schade, dass die nationalen Prüfungen insgesamt wegbrechen, anscheinend für viele unattraktiv geworden sind, man ab einem gewissen Niveau fast schon gezwungen ist international zu reiten und keine Auswahlmöglichkeit mehr hat. Da fallen viele Reiterinnen und Reiter raus, die dann eben keine oder kaum noch Vielseitigkeiten reiten.“
Als drittes sprach Buschreiter.de mit Maria von Starck. Die Nachwuchsreiterin aus Schleswig-Holstein ist 17 Jahre jung und trainiert bei Franziska Keinki und Torben Mölleken. Mit ihrer 10-jährigen Stute Capriole ist sie seit drei Jahren im Busch erfolgreich unterwegs. Sie hat bereits Vielseitigkeiten der Klasse A** gewonnen und ist in Mechtersen im vergangenen Jahr das erste Mal auf Intro-Niveau gestartet und konnten die Prüfung direkt ohne Hindernisfehler im Gelände beenden: ,,International zu reiten ist natürlich schon ein Highlight worauf man sich sehr freut. Im Gelände habe ich aber den Eindruck, dass die Anforderungen recht stark schwanken im Bereich von A** bis L, auch abhängig vom Profil der Geländestrecke, und dass man da schon recht sicher sein sollte, bevor man an den Start geht. Was ich gut finde, sind die Dressuraufgaben, dass man immer leichttraben kann finde ich als Reiter sehr angenehm und auch pferdefreundlicher. Allgemein nenne und reite ich die Turniere die in der Umgebung ausgeschrieben sind. Natürlich ist es international schon teurer, aber wenn es in der Nähe ist, dann ist es machbar. Wir würden für eine Intro aber nicht bis in die Niederlande fahren, allein schon wegen der Stall- und Spritkosten.“
Fazit
Die Intro-Prüfungen sind aus der Turnierszene in der Vielseitigkeit mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Sie sind überaus beliebt bei Profis wie Amateuren und bieten eine attraktive Möglichkeit in den internationalen Vielseitigkeitssport einzusteigen. Insbesondere die Dressuraufgaben werden gelobt und als pferdefreundlich eingeschätzt. Für Veranstalter, die ohnehin internationale Prüfungen ausschreiben ist der Zusatzaufwand eine Intro anzubieten überschaubar. Für Veranstalter ohne internationale Vorerfahrung ist der Schritt vom Ausrichten einer nationalen Prüfung zur internationalen Prüfung jedoch nicht zu unterschätzen. Die Auflagen und Anforderungen sind um ein Vielfaches höher.
Auch muss bedacht werden, dass die zusätzlich international registrierten Reiter und Pferde eine attraktive Einnahmequelle für die FEI sind. Die Auflagen und Regularien sind für die Teilnehmenden im Vergleich zum nationalen Sport strenger, dafür stellt die FEI aber auch höhere Anforderungen an die Offiziellen und es gibt äußerst genau formulierte Guidelines, Regelwerke und auch Listen, die für jedermann im Internet zugänglich sind und hoffentlich am Ende des Tages dem Pferdewohl zuträglich sind. Auch die Datenbank der FEI ist übersichtlich, gut strukturiert und transparent. Die Prüfungen scheinen, zumindest auf dem Papier, sehr vergleichbar zu sein, was in Zeiten der Digitalisierung und weltweiten Vernetzung einen höheren Stellenwert denn je hat.
Auch wenn die FN in ihrer Neuauflage der LPO von 2024 mit L-Vielseitigkeiten der Klasse L* und L** sowie neuen Dressuraufgaben den Versuch gewagt hat, die nationalen Prüfungen wieder attraktiver zu machen, so ist die Rückkehr derer im jährlichen Turnierkalender mangels Interesse bisher ausgeblieben. Leider werden national erzielte Ergebnisse von der FEI nicht als MER-Results für höhere Prüfungen anerkannt. Daher ist es für einige Profi-Reiter schlicht uninteressant ab einem bestimmten Level national zu starten.
Allerdings ist es nicht für jeden ambitionierten Vielseitigkeitsreiter möglich, sowohl finanziell als auch aufwandsbedingt regelmäßig an den internationalen Prüfungen teilzunehmen. Wenn dann auf nationaler Basis kaum noch Alternativen vorhanden sind, die über das Basis-Niveau hinausgehen, dann wird dies auf Dauer zwangsläufig dazu führen, dass der gehobenere Vielseitigkeitssport (mehr als ohnehin schon) zu einem Nischen-Sport für die Priviligiertesten unserer Gesellschaft wird und die öffentliche Sichtbarkeit unseres wunderschönen Sports schwindet.
von Elisa Abeck