Julia Krajewski ist als Einzel-Olympiasiegerin aus Tokyo heimgekehrt. Sie hat sich mit ihrer 11-jährigen Stute Amande de B’Neville einen Lebenstraum erfüllt und die Goldmedaille mit hervorragenden Ritten gewonnen.
Ein toller Anlass, um einen Blick auf Julias reiterlichen Werdegang zu werfen.
Julia Krajewski wurde am 22.10.1988 geboren und stammt nicht aus einer klassischen „Reiter-Familie“. Nach den ersten Erfahrungen im Urlaub mit Ponys in der Lüneburger Heide, brachte der Umzug von Hannover ins Emsland die 3 Schwestern regelmäßig auf den Pferderücken. Auf einem eigenen Hof zogen neben der Familie auch einige Ponys ein- zunächst aber Dartmoor- und Connemara-Ponys.
Cyrano zog als erstes Sportpony in den Stall der Krajewskis. Dieses Pony sollte für Julia ein Wegweiser in die Karriere als Profi sein: Mit dem Sieg bei den Pony-Europameisterschaften 2001 in Vejer de la Frontera im Einzel und mit der Mannschaft war der Durchbruch geschaffen, den Sport noch ernsthafter zu betreiben. Und das lohnte sich- es folgten noch 8 Medaillen auf Europameisterschaften im Lager der Ponyreiter, der Junioren und der Jungen Reiter.
Daran schloss sich 2011 die erste Championatsteilnahme im Lager der Senioren an: Die EM in Luhmühlen mit After the Battle. Ein spezielles Pferd, der längst nicht jedem vertraute, aber mit Julia ein tolles Team bildete. So wurden die beiden 2010 im CCI3* von Boekelo 4. und konnten eine Reihe von weiteren 3* Platzierungen verbuchen. Doch nach der Nominierung, die schon einen Erfolg bedeutet, brachte die EM Julia einen Schicksalsschlag, den sie nicht so einfach wegstecken konnte: Ihr Pferd After the Battle trat sich während der Geländestrecke in die Sehne. Er hatte sich so schwer verletzt, dass die Karriere des Vollblüters beendet werden musste. Heute genießt er aber weiterhin als Familienmitglied seine Rente auf der Wiese. Durch dieses Erlebnis ist es Julia wichtig, jeden (auch kleinen) Erfolg wertzuschätzen und sich darüber zu freuen.
Vor allem freut sie sich über unerwartete Erfolge oder aber wenn ein Pferd über sich hinauswächst. Auch das hat sie von After the Battle gelernt- dass es sich lohnt, auch an Pferde zu glauben, denen nicht jeder auf den ersten Blick große Leistungen zutraut. Seit 13 Jahren ist Julia nun am DOKR in Warendorf beheimatet.
Sie arbeitete einige Jahre als Nachwuchsführungskraft der FN- was bedeutete, dass sie den halben Tag im Büro arbeitete und den halben Tag im Sattel saß. „Nebenbei“ absolvierte sie noch das Studium zum Diplom-Trainer in Köln, den sie 2015 abschloss. Als Mitglied der Perspektivgruppe konnte Julia von der optimalen Förderung am DOKR profitieren, einiges wäre ihr sonst in der Form nicht möglich gewesen. So konnte sie viele Jahre das Training von Rüdiger Schwarz in Anspruch nehmen, und auch Chris Bartle prägte ihr Reiten nachhaltig. 2016 trat sie als Bundestrainerin der Junioren die Nachfolge von Rüdiger Schwarz an und konnte auch als Trainerin bereits Championatserfolge verbuchen.
Julia versucht, sich möglichst von jedem Trainer und Reiter etwas mitzunehmen, und offen gegenüber anderen Ansätzen zu sein. Bei großen Prüfungen flechtet Julia für die Dressur gerne selber ein, und geht vor dem Gelände den Kurs im Kopf bis in das kleinste Detail ab. 2015 sagte sie, dass sie mit diesen Ritualen gerne noch an einigen Championaten teilnehmen und möglichst mit einer Medaille nach Hause fahren möchte. Das ist ihr gelungen!
Zunächst verliefen ihre ersten Championatsstarts eher mit Tiefen, aus denen sie sich immer wieder selber heraushelfen musste. 2016 fuhr sie nach ihrem dritten Platz in der damaligen CCI4* Prüfung (heute CCI5*-L) als Reservistin mit zu den Olympischen Spielen nach Rio, mit dabei ihr Erfolgspferd Samourai du Thot. Vor Ort wurde sie dann für Andreas Ostholt in das deutsche Team eingewechselt. Heute sagt sie „Rio kam für uns wahrscheinlich einfach noch etwas früh.“ Das Paar schied im Gelände nach dreimaliger Verweigerung im Gelände aus, gewann aber durch die Leistungen der Teammitglieder Michael Jung, Ingrid Klimke und Sandra Auffarth noch Mannschaftssilber.
Im folgenden Jahr, 2017, gaben Julia und ihr Sam dann in Luhmühlen die sportliche Antwort mit dem 4* Sieg (heute 5*) in Luhmühlen, welcher ihnen auch die Nominierung für die Europameisterschaften in Strzegom einbrachte. Zusammen mit Ingrid Klimke, die Einzel-Europameisterin wurde, Michael Jung (Vize-Europameister) und Bettina Hoy zählte das deutsche Team als top Favorit für Einzel- und Mannschaftsmedaillen. Doch auch hier hatte noch nicht Julias Stunde geschlagen. Als Pathfinder musste sie im Gelände einen Vorbeiläufer hinnehmen. Doch wie schon in Rio rettete das Team sich im Springen mit drei Nullrunden auf den Silberrang und fuhr mit einer Teammedaille und den zwei Einzelmedaillen nach Hause. Doch die Mannschaftsmedaille wurde letztlich verloren- bei Samourai du Thot wurde bei der Medikationskontrolle positiv auf den Wirkstoff Firocoxib getestet. Der Wirkstoff ist im Wettkampf verboten, aber im Training erlaubt- es handelte sich somit um eine unerlaubte Medikation. Julia beteuerte immer wieder, keine Erklärung zu haben, wie Sam an diesen Wirkstoff gekommen sein könnte. Sie wurde disqualfiiziert, was zum Verlust der Medaille für die deutsche Mannschaft führte. Ein erneuter harter Rückschlag für Julia.
Bereits 2017 hatte sich ein neues Pferd neben Sam im 3* Bereich etabliert: Chipmunk FRH. Sein Stern sollte 2018 so richtig aufgehen, nach den Siegen in Marbach und Bramham konnte das Paar auch beim CHIO Aachen gewinnen. Chipmunk sollte auch das Pferd sein, mit dem Julia zu den Weltreiterspielen in Thryon (USA) reiste. Hier übernahmen sie überragend mit -19,9 die Führung nach der Dressur. Der Jubel war groß. DIe Enttäuschung war umso größer, als das Paar im Gelände an einer schwierigen bergab-Kombination einen Vorbeiläufer hatten und damit im Klassement weit zurückfielen. Auf Platz 39 beendete sie damit ihre WM-Premiere.
Bei den Europameisterschaften 2019 war Sam nicht fit, Chipmunk FRH war durch den Verkauf inzwischen in den Stall von Michael Jung umgezogen und wurde bei der Heim-EM in Luhmühlen Vize-Europameister. Somit konnte Julia das Geschehen nur von der Bande aus begleiten. 2020 sollten ursprünglich die nächsten Olympischen Spiele stattfinden, doch durch die Corona-Pandemie wurden diese dann in dieses Jahr verschoben.
Zum Ende letzten Jahres zog sich Samourai du Thot eine schwere Infektion zu, die es unumgänglich machte, ihm ein Auge zu entfernen. Gemeinsam starteten sie in 56 internationalen Prüfungen, Julia brachte ihn als 5-jährigen in den Sport. Sie konnten rekordverdächtige 18 internationale Prüfungen gewinnen und bei 40 Starts auf einem top 5 Platz die Prüfung beenden. Doch nun war klar, die Siege in Arville (CCI4*-S) im August 2020 und Strzegom (CCI4*-L) im Oktober 2020 waren die letzten Auftritte des so erfolgreichen Franzosen-Wallachs.
Parallel zu Sam war jedoch ein weiteres Pferd in den 4* Sport hineingekommen, Amande de B’Neville. Ende 2018 war die damals 8-jährige Stute bereits in Boekelo am Start, konnte jedoch nach einer Verletzung im Springen nicht mehr vorgestellt werden. Doch pünktlich zum Olympischen Jahr zeigte sie 2020, dass sie einer größeren Aufgabe gewachsen sein könnte. Mit einem Vorbeiläufer im Gelände misslang jedoch im Oktober der erste Versuch, die formelle Qualifikation für einen Championatsstart in einer langen Prüfung zu erlangen.
Dies glückte dann Ende April diesen Jahres, mit einem überragenden Sieg in Saumur. Dieser Sieg und die Qualifikation brachten ihr letztendlich wohl auch überhaupt erst die Nominierung für die Olympischen Spiele ein, die sie im Juni mit Bronze bei den Deutschen Meisterschaften und Platz 5 bei der CCI4*-S Prüfung in Luhmühlen unterstrich.
Der weitere Teil der Geschichte ist bekannt. Das Paar flog nach Tokyo und siegte! Platz 4 nach der Dressur mit -25,2. Im Gelände konnten sie als erstes deutsches Paar ein gutes Ergebnis für das Team nach Hause bringen, nur eine Sekunde über der Bestzeit brachte sie auf Platz 2 nach dem Geländetag. Und es folgte zwei unglaublich nervenstarke und spitzenmäßig gerittene Runden im Springparcours, die keine Zweifel aufkommen ließen. Mit einer Sekunde über der Zeit besiegelte Julia im abschließenden, entscheidenden Springen um die Einzelmedaillen den Gewinn der goldenen Olympischen Medaille in Tokyo, im Sattel ihrer „Mandy“. Übrigens platzierte sich Chipmunk mit Michael Jung im Sattel an achter Stelle, ein gebrocheneres MIM System und daraus folgenden 11 Minuspunkte verhinderten den Sieg- ein Erfolg, an dem auch Julia als Ausbilderin des Pferdes bis zur Championatsreife teil hat.
Sie hat Geschichte geschrieben, nicht nur als erste Frau, die in der Vielseitigkeit bei den Olympischen Spielen gewinnen konnte. Das ganze Turnier, alle vier Prüfungen waren eine Augenweide, Werbung für den Vielseitigkeitssport auf höchstem Niveau.
Mit ihrem Eintrag in die Geschichtsbücher trägt sie nun nach Hinrich Romeike mit Marius (2008) und Michael Jung (2012&2016) den vierten deutschen Einzelsieg in Folge ein. Und das mit 32 Jahren.
Herzlichen Glückwunsch Julia!
Danke für die tollen Archiv-Bilder, Julia Rau und an Stefan Lafrentz für die tollen Impressionen aus Tokyo!