Nach 2018 gelingt es dem starken Team aus Neuseeland zum zweiten Mal, den Vielseitigkeitsnationenpreis beim CHIO Aachen zu gewinnen. Dank einer geschlossenen Leistung lässt das Team von Equipechef Jonathan Paget die weiteren sieben angetretenen Mannschaften hinter sich. Auch in der Einzelwertung triumphieren die Neuseeländer: Hier freute sich Tim Price im Sattel von Holsteiner Vitali über seinen ersten Einzelsieg in Aachen. Auch wenn es aus deutscher Sicht sportlich nicht zu 100 Prozent nach Plan verlief, so konnte sich dennoch Jérôme Robiné als bester deutscher Reiter auf Rang 8 platzieren und weitere vielversprechende Nachwuchshoffnungen sammelten zum Teil erstmals wertvolle Erfahrungen auf der ganz großen sportlichen Bühne in Aachen.
Vielseitigkeits-Nationenpreis: Neuseeländer nicht zu schlagen
Bis kurz vor Ende des Geländetages sah noch alles nach einem weiteren Sieg für die Briten in der Nationenpreiswertung aus. Doch die beiden Teamreiterinnen Laura Collett mit Dacapo und Bubby Upton mit Cannavaro kassierten je eine Unterbrechung auf der Geländestrecke, sodass das Union Jack-Team von der Pole Position auf den dritten Platz (-134,1 Punkte) zurückfiel. Neben Collett und Upton ritten noch die beiden erfahrenen Reiter Tom McEwen mit Brookfield Quality und Gemma Stevens mit Flash Cooley, welche die Prüfungen auf den Plätzen 2 und 3 abschlossen. Vom Pech der Briten im Busch profitierten die bis dato Zweit- und Viertplatzierten Neuseeländer und U.S.-Amerikaner. Einzelsieger Tim Price mit Vitali, Monica Spencer mit dem Vollblüter Artist, Clarke Johnstone und der erst 10-jährige Hannoveraner Rocket Man (Züchterin: Nicole Nehm) und Samantha Lissington und der beim Pferdesportverband Sachsen-Thüringen eingetragene Lord Seekönig formten in diesem Jahr die neuseeländische Equipe und konnten Dank sicherer Spring- und Geländerunden am Ende den Sieg mit einem deutlichen Vorsprung von etwa neun Punkten für sich beanspruchen. Die US-Amerikaner Will Coleman mit dem 2021 Aachen Sieger Off the Record, Boyd Martin mit Holsteiner Commando (Züchter: Joachim Siebke), Phillip Dutton mit Possante und Caroline Pamukcu mit ihrem Olympiapferd HSH Blake starteten nach der Dressur mit -100,7 Punkten etwas unter ihren Möglichkeiten, addierten jedoch im Springen und Gelände kaum Strafpunkte hinzu, sodass sie schlussendlich mit -117,2 Punkten Platz 2 in der Teamwertung belegten.
Etwas Pech hatte die deutsche Equipe, die zwar mit einem noch recht jungen, aber dennoch nicht unerfahrenen Team nach Aachen gereist war. Nach dem Springen lag das Quartett bestehend aus Jérôme Robiné mit Black Ice (Besitzerin: Dorothea von Zedtwitz), Anna Siemer und FRH Butt’s Avondale (Züchter & Besitzer: Prof. Dr. Volker Steinkraus), Calvin Böckmann mit Altair de la Cense (Besitzer: Familie Böckmann) und Libussa Lübbeke mit Caramia (Züchterin: Annelie Lübbeke; Besitzer: Annelie & Martin Lübbeke) noch mit Chancen auf eine Treppchenplatzierung auf dem dritten Rang. Doch im Gelände musste die bis dato auf Rang 6 in der Einzelwertung liegende Libussa Lübbeke zum allerersten Mal in der gemeinsamen Geländekarriere mit Caramia 20 Punkte für eine Unterbrechung hinnehmen. Diese 20 Strafpunkte, sowie weitere Zeitstrafpunkte der übrigen deutschen Teilnehmer im Gelände summierten sich zu einem Endergebnis von -138,6 Punkten, wodurch sie in der Endabrechnung noch hinter die Briten auf Platz 4 zurückfielen.
Einzelwertung: Holsteiner Vitali führt die Ehrenrunde an
Der aus der Zucht des im vergangenen Jahr verstorbenen Optiker-Unternehmers Günther Fielmann stammende Holsteiner Vitali siegte unter Tim Price in der Einzelwertung der Vielseitigkeit. Bereits in der Dressur konnte er mit -27,3 Punkten (punktgleich mit Jérôme Robiné) das beste Ergebnis im Viereck erzielen. Der 15-jährige Contender-Sohn ist als eines der besten Dressur- und Geländepferde in der Vielseitigkeitsszene bekannt. So konnte er bereits sieben (!!!) CCI5*-L Prüfungen innerhalb der Top 10 beenden, es wären mit Sicherheit auch einige Siege möglich gewesen, wäre da nicht die dritte Disziplin im Bunde, das Parcoursspringen. Dort zeigte sich Vitali in der Vergangenheit häufig als nicht allzu vorsichtig, sodass am letzten Tag schon der eine oder andere Siegestraum auf den letzten Metern platzen musste. Doch die Reihenfolge erst Springen, dann Gelände schien dem Dunkelbraunen zu liegen und es fielen am Freitag Abend keinerlei Stangen, sodass die beiden als Führende au die Geländestrecke gingen. Hier zeigten sie die viertschnellste Runde im 43-köpfigen Starterfeld und konnten die Prüfung schlussendlich mit -30,5 Punkten für sich entscheiden.
Platz 2 ging an den ebenfalls 5*-L erfahrenen Irish Sport Horse Wallach Brookfield Quality mit dem britischen Championatsreiter Tom McEwen im Sattel. Der 16-jährige Dunkelbraune beendete die Prüfung mit -33,8 Punkten vor seiner Teamkollegin Gemma Stevens mit Flash Cooley und einem Endergebnis von -36,0 Punkten.
Jérôme Robiné im Buschreiter-Interview: ,,Ich hoffe, dass wir 2026 wieder in Aachen an den Start gehen dürfen!“
Als bester deutscher Teilnehmer konnte Jérôme Robiné mit seinem 15-jährigen Routinier Black Ice die Prüfung auf Rang 8 beenden. Die beiden gingen erstmals nach dem 5*-Erfolg in Badminton Anfang Mai wieder gemeinsam an den Start. Zum Dressurergebnis von -27,3 Punkten kamen vier weitere Minuspunkte für einen Abwurf im Parcours sowie 8,0 Zeitstrafpunkte aus dem Gelände hinzu. Im Kurzinterview mit Buschreiter.de berichtet Jérôme über sein Wochenende in Aachen:
Buschreiter.de: Wie ist Black Ice aus der Pause nach Badminton zurückgekommen und wurde das Training im Vergleich zur Vorbereitung für eine lange Prüfung noch einmal anders strukturiert?
Jérôme Robiné: Das war für mich gar nicht so einfach zu timen. Auf der einen Seite benötigt er nach der 5*-Prüfung natürlich ausreichend aktive Pause mit entspannten Ausritten oder leichter Arbeit an der Longe, auf der anderen Seite muss man auch wieder den richtigen Zeitpunkt finden, um in die Arbeit und Vorbereitung zurückzukehren. Ich habe jetzt relativ wenig gemacht und bin recht spät wieder ins aktive Training zurückgekehrt. Das würde ich in Zukunft vielleicht nochmal etwas umstellen, aber Benny ist auch sehr erfahren, sodass man nicht mehr aktiv neue Lektionen oder Aufgaben lernen muss, sondern es geht eher um das Training der Fitness und der allgemeinen Durchlässigkeit.
Buschreiter.de: Du bist nun zum dritten Mal in Aachen an den Start gegangen. Wie war dein Eindruck zum umgestalteten Kurs des neuen Course Designers Giuseppe della Chiesa?
Jérôme Robiné: Mir hat es sehr gut gefallen und der Kurs war wirklich schön zu reiten! Es war natürlich für 4* schon am oberen Ende gebaut, aber ich glaube das ist jedem klar der in Aachen an den Start gehen will. Ich denke alle Reiter hatten die Chance den Kurs zu bewältigen und es gab gute Alternativen, die auch schön zu reiten waren, sodass die jüngeren Pferde oder unerfahreneren Paare auch harmonische Ritte abliefern konnten.
Buschreiter.de: Wie zufrieden warst du mit dem Wochenende in Aachen? Wäre in der Rückschau noch mehr drin gewesen?
Jérôme Robiné: Ja, ich denke im Nachhinein schon, dass noch mehr drin gewesen wäre. Nach der Dressur war ich sehr zufrieden, dass wir hier unsere gute Form abrufen konnten. Klar kriegt man es nicht immer hin, aber ich denke eigentlich können wir es so, wie wir das am Freitag gezeigt haben. Mit der Springrunde war ich auch sehr glücklich, klar, der Klotz tat bei dem Zwischenergebnis nach der Dressur schon weh, aber grundsätzlich war ich sehr happy damit, wie er in dem großen Stadion gesprungen ist. Heute im Gelände hätte ich es mir natürlich im Nachhinein noch etwas schneller gewünscht, aber wenn man unterwegs ist, dann muss man auch erstmal das nehmen, was man in dem Moment hat und ich bin froh, dass wir so gut ins Ziel gekommen sind. Der ganze Saisonaufbau war ja auf die lange Prüfung in Badminton ausgerichtet, für eine intensive Kurzprüfung wie in Aachen wäre man in der Vorbereitung idealerweise mehr Kurzprüfungen geritten und hätte im Konditionstraining mehr auf Sprints gesetzt, als auf lange ausdauernde Einheiten. Von daher war ich für die Vorbereitung, die wir in Richtung Aachen umsetzen konnten, sehr zufrieden mit dem Ergebnis, auch wenn an dem perfekten Tag vielleicht noch etwas mehr drin gewesen wäre.
Buschreiter.de: Was sind nun de weiteren Pläne für die Saison und vielleicht auch schon für das kommende Jahr?
Jérôme Robiné: Unsere letzte Sichtung für die EM in Blenheim findet Mitte August in Arville statt. Das sind ab jetzt noch gut vier Wochen und ab da dann noch weitere vier Wochen bis die EM für die nominierten Paare ansteht. Da man ja auch immer längerfristiger plant, schaue ich nächstes Jahr schon ganz klar Richtung WM und hoffe sehr, dass wir auch 2026 in Aachen an den Start gehen dürfen.
Den undankbaren Platz der ersten und zweiten Reserve belegten in diesem Jahr Anna Siemer mit der bereits 18-jährigen, aber nicht weniger fitten FRH Butt’s Avondale (Platz 17/-46,8) und Nicolai Aldinger mit seinem sympathischen Schimmel Timmo (Platz 18/-47,2). Beide zeigten mit ihren 5*-erfahrenen Pferden harmonische Geländerunden in der Soers, gingen jedoch nicht das letzte Risiko ein, um noch näher an die Bestzeit heranzureiten. Teamreiter Calvin Böckmann und Altair de la Cense belegten mit -52,5 Punkten den 23. Platz. Vor Freude den Tränen nahe war im Ziel die First-Timerin Antonia Baumgart, die mit dem erst 10-jährigen Ris de Talm nach einer fehlerfreien Geländerunde mit einigen Zeitfehlern den 31. Rang belegen konnte und damit ihr erstes Aachen direkt mit einem MER-Ergebnis abschloss. Pauline Knorr mit Aevolet M-A-F und Nina Schultes mit Grand Prix iWest mussten leider nach Reiterstürzen im letzten Dritten des Kurses ausscheiden. Beide konnten jedoch gesund und munter die Strecke zu Fuß verlassen.
Endergebnis Einzelwertung CCIO4*-NC-S
Endergebnis Teamwertung CCIO4*-NC-S
Fotos: Lutz Kaiser / Datenreiter