Die Turniersaison 2020 hatte noch nicht richtig begonnen, als der Lockdown durch die Corona-Pandemie nicht nur ganz Deutschland lahmlegte. Langsam aber sicher haben nun ein paar wenige Turnierveranstalter Prüfungen auch im Bereich der Vielseitigkeit angeboten. Wir haben viele Anfragen von Lesern bekommen, deren Fragen wir heute Philine Ganders-Meyer, Disziplinkoordinatorin Vielseitigkeit der FN und des DOKR, stellen konnten.
Buschreiter: Frau Ganders-Meyer, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, unsere Fragen zu beantworten. Im März hat noch keiner so richtig geahnt, was die Pandemie für Folgen für unseren Sport haben wird. Wie sehen Sie die derzeitige Situation des Vielseitigkeitssports?
„Dieses Jahr und diese Saison stellt uns alle vor ganz besondere Herausforderungen. Ich freue mich sehr, dass nun schon einige Veranstalter mit viel Idealismus begonnen haben, den Reitern die Möglichkeit zu geben, Ihre Pferde in Prüfungen vorzustellen. Aufgrund der behördlichen Vorgaben, denen wir allen unterliegen, ist das Angebot leider bisher sehr unterschiedlich, momentan ist es über die Landesverbände hinweg ein großer Flickenteppich.“
Buschreiter: „Viele Prüfungen sind derzeit nur für Berufsreiter ausgeschrieben. Woran liegt das und warum sind Amateurreiter in den Prüfungen nicht zugelassen?“
„Aktuell ist es wegen der behördlichen Vorgaben noch in vielen Verbänden so, dass die Veranstaltungen momentan nur mit einem eingeschränkten Teilnehmerkreis, nämlich Berufsreiter in weiterem Sinne, genehmigt werden. Die Berufsreiter durften schon eher wieder trainieren und es ist für sie enorm wichtig, vor allem die jungen Pferde in Prüfungen vorzustellen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Daran hängen Existenzen, deshalb ist es gut, wenigstens dieser Zielgruppe den Turniersport zu ermöglichen. Auch Reiter/innen, die Berittpferde haben, sind laut Ausschreibung zugelassen. Aber die behördlichen Vorgaben werden nun gelockert, so dass in vielen Landesteilen ganz bald auch wieder Wettkampfsport für alle – natürlich mit besonderen Regeln – möglich sein wird.“
Buschreiter: „Weiterhin soll das Bundeschampionat stattfinden. Wie sollen die Qualifikationen für die 5- und 6-jährigen Vielseitigkeitspferde und -ponys in diesem Jahr aussehen, die ja im Normalfall am 31. Juli endet?“
„Es ist richtig, dass nach derzeitigem Stand das Bundeschampionat stattfinden soll und dies für Vielseitigkeits- und Springpferde nun ein Wochenende früher – also vom 26.-30.08.2020 – geplant ist. Dies hängt mit der Personenmaximalzahl zusammen. Aber wir sind froh, wenn es irgendwie gelingen kann, den jungen Pferden und ihren Reitern, Besitzern und Züchtern die bewährte Plattform zu bieten, die sie verdienen – aber natürlich nicht in ihrer gewohnten Form. Dazu wird es aber in den kommenden Tagen noch weitere konkretere Informationen auf den FN-Seiten (Pferd-aktuell.de unter Bundeschampionate) geben. Was ich bereits jetzt sagen kann: Alle ausgeschriebenen Geländepferdeprüfungen bis zum 16.08.2020 zählen als Qualifikationen. Die Ponys und die 5-jährigen Vielseitigkeitspferde benötigen ein Ergebnis einer Geländepferdeprüfung der Klasse A weniger als in den Vorjahren, das Ergebnis einer Vielseitigkeitsprüfung der Klasse A bzw. L kann in diesem Jahr auch durch ein Ergebnis in einer Dressur- und Springpferdeprüfung der analogen Klasse mit einer Mindestnote erritten werden. So wollen wir sicherstellen, dass möglichst viele die Chance haben, ihre Pferde zu qualifizieren. Sollten sich weniger als 30 Pferde qualifizieren, dürfen ggf. auch noch Pferde nachrücken, das war aber schon immer so.“
Buschreiter: „Wie sehen die Planungen für die anderen Championate und die Deutschen Meisterschaften aus?
„Nach der Absage der Europameisterschaften möchten wir gerade den Nachwuchsreitern trotz allem Saisonziele ermöglichen, sodass die DJM auf einen späteren Zeitpunkt im Jahr verschoben wird. Bisher sieht es so aus, dass auch die Deutschen Pony-Meisterschaften und die Goldene Schärpe der Ponyreiter stattfinden können. Auch werden wir nach aktuellem Stand das Bundesnachwuchschampionat in Warendorf ausrichten, für das die Landesverbände und -trainer ihre Qualifikationen und Sichtungen selbst festsetzen. Wir möchten zumindest das ermöglichen, was gehen kann. Natürlich ist es schade, dass in diesem Jahr nicht alle die gleichen Möglichkeiten haben werden, sich vorzubereiten, was eventuell auch die ein oder andere Teilnahme unmöglich machen kann. Dennoch möchten wir den Reitern, die trainieren und starten können, diese für die Weiterentwicklung wertvollen Prüfungen anbieten.
Leider wurden gestern auch die Deutschen Amateurmeisterschaften in Hambach abgesagt und ebenso der Bundeswettkampf in Bad Harzburg.“
Buschreiter: „Etwas Erstaunen kam auf, dass die Prüfungen in diesem Jahr teilweise mit dem doppelten Nenngeld bei Aussetzen der Geldpreise ausgeschrieben wurden. Ist das mit den Corona-Auflagen zu rechtfertigen? Wie sieht das in den nächsten Jahren aus? Es gibt Reiter, die die Sorge äußerten, sich den Turniersport schlicht nicht mehr leisten zu können.“
„Vorweg möchte ich sagen, dass der gesamte Disziplinausschuss der Vielseitigkeit und auch die allermeisten Reiter froh um jeden einzelnen Veranstalter sind, der ein Turnier durchführen möchte. Natürlich sind die Nenngelder gerade angestiegen, aber ich glaube ich kann sagen, dass keiner der mir bekannten Veranstalter aus diesen Turnieren einen großen Gewinn schlägt. Die Corona-Auflagen tun ihr Übriges, aber es ist momentan auch enorm schwer bis unmöglich, Sponsoren für unsere Veranstaltungen zu gewinnen. Die LPO gibt diese Erhöhungen und das Aussetzen der Geldpreise her, aber bisher wurde davon so noch kein Gebrauch gemacht, sodass ich denke und hoffe, dass sich das nach der Pandemie auch alles normalisiert, auch wenn wir im Vergleich zum Ausland sehr günstiges Turnierreiten anbieten.“
Buschreiter: „Ein weiterer Blick ins nächste Jahr: Soll es 2021 Erleichterungen für die jetzt 4-,5- und 6-jährigen Pferde bezüglich des Reglements und des Bundeschampionats geben?“
„Ich denke, dahingehend klare Aussagen zu treffen, ist noch zu früh. Momentan gehen wir eigentlich noch davon aus, dass es in der Saison 2020 möglich sein wird, die jungen Pferde einigermaßen normal auszubilden und ihnen Turniererfahrungen zu ermöglichen. 5-jährige Pferde, die in diesem Jahr nicht mehr als 1x platziert waren (aus welchen Gründen auch immer) dürfen von der LPO aus im nächsten Jahr sowieso noch in der Klasse A an den Start gehen, für die 6-jährigen gilt das auf L Niveau genauso. Was dahingehend sehr zu begrüßen wäre, wenn in diesem Jahr auch noch nach dem Bundeschampionat vermehrt Geländepferdeprüfungen angeboten würden, sodass die Reiter darüber die Chance haben, ihren Pferden weitere Erfahrungen zukommen zu lassen.“
Buschreiter: „Gibt es etwas, was Sie Veranstaltern raten möchten, die momentan noch unentschlossen sind, ein Turnier auszurichten?“
„Es muss allen Beteiligten, ob Veranstalter, Reiter, Offizielle oder Pferdebesitzer klar sein, dass wir dieses Jahr eine absolute Ausnahmesituation durchleben. Wir alle müssen Verständnis für die Veranstalter haben, die aus vielfältigen Gründen ihr diesjähriges Turnier absagen müssen. Neben den Gründen der Finanzierung, die aufgrund des Wegfalls von Sponsoren und Gastronomie schwieriger ist, spielt in einigen Vereinen auch die Angst vor der Erkrankung an Covid-19 eine Rolle. Je nachdem auf welchem Grund und Boden ein Turnier stattfinden soll, sind auch andere behördliche Vorgaben maßgeblich. All das ist leider nicht zu ändern.
Aber ich möchte den Veranstaltern Mut machen, die sich ein Turnier 2020 vorstellen können. Wir als Dachverband und auch die Landesverbände stehen allen Veranstaltern gerne zur Seite. So haben wir einen Corona-Leitfaden entwickelt, der eine Richtlinie geben kann, was zu berücksichtigen ist, wenn ein Turnier genehmigt werden soll. Dieser ist für jede Region in der gültigen und aktuellen Fassung beim jeweiligen Landesverband erhältlich. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die Ordnungsämter momentan auch erst einmal etwas Erfahrung mit den einzelnen Bereichen sammeln müssen. So kann es durchaus sein, dass im April eine Absage für ein Turnier im Sommer erteilt wurde, die aber durch die positiven Veranstaltungen nun genehmigt würde. Und die Vorgaben der Behörden ändern sich alle paar Wochen – hoffentlich weiter zum Positiven. Die ersten Turniere, die nun stattfanden, haben die nun noch notwendigen Auflagen sicherlich teilweise übererfüllt. Davon sollen sich interessierte Veranstalter bitte nicht abschrecken lassen. Das Parken mit besonders großen Abständen kann nicht jeder Turnierplatz darstellen, ist aber an Supermärkten beispielsweise auch nicht notwendig und daher im Leitfaden auch nicht vorgegeben. Wie der Rechts- und Sportmediziner Professor Klaus Püschel im Interview mit der FN auch schon herausstellte, können wir auf Reitturnieren die Abstände sehr gut einhalten, ohne unseren Sport als solchen einzuschränken. Das gesellige Drumherum muss selbstverständlich derzeit reduziert werden. Aber auf unseren Sport müssen wir deswegen zum Glück nicht verzichten. Ich kann nur jeden Turnierreiter dazu ermutigen, sich im Verein selbst zu engagieren und einzusetzen. Auch ein Turnier mit einem kleinen Prüfungsangebot kann in der Zeit, in der wir nicht in den Urlaub fahren können eine gute Gelegenheit geben, um der Vereinsarbeit einen positiven Aufschwung zu geben. Die Reiter werden es danken! Wir freuen uns alle gemeinsam über jede Prüfung und jedes Turnier!“
Buschreiter: „Vielen lieben Dank für die zahlreichen Informationen. Wir hoffen, dass alle Leser nun Antworten auf Ihre Fragen finden können und wünschen Ihnen alles Gute- bleiben Sie gesund!“