Es gehörte schon eine Menge Mut dazu, ausgerechnet in der Corona-Zeit nach Kentucky zu fliegen, um dort sein 5* Debüt zu geben. Anna Siemer wollte dies eigentlich schon 2020 machen, aber dem Plan machte die Pandemie und die damit verbundene Turnierabsagen einen Strich durch die Rechnung.
Noch einmal sollte Avondale aus einer 5* Startbox in Pau galoppieren, doch ein Vernageln kurz vor Abreise machte auch diesen Plan zunichte.
Bis zum Abflug gab es dann auch dieses Jahr einiges Bibbern, ob diese Reise so stattfinden wird, wie geplant. Vor allem aber sah die Vorbereitung anders aus, als ein Reiter das in normalen Zeiten planen würde. Anna konnte in Deutschland außer Springprüfungen keine Vorbereitungsprüfungen reiten. Galopptraining, Geländetraining und intensives Dressurtraining standen zusätzlich auf dem Programm, eben als Training für eine 5* Prüfung.
Doch der Mut, dieses Projekt anzugehen, wurde für Anna Siemer an diesem Wochenende belohnt!
Den Auftakt gaben Anna und ihre Hannoveraner-Stute Avondale mit einer ihrer besten Dressuren bisher. Mit -28,1 kamen sie nach einer korrekten und ausdrucksstarken Dressurprüfung aus dem großen Stadion und konnten damit von Platz 10 aus ins Gelände starten. Ein toller Auftakt für eine Premiere auf dem Niveau.
Die ersten Paare zeigten am Geländetag schon gleich, dass der Kurs anspruchsvoll, lang und auch konditionell fordernd ist. Stürze und Verweigerungen passierten auch den routinierten Reitern wie William Fox-Pitt. Dann setzte auch noch starker Regen ein. Doch Anna ließ sich davon nicht beirren. Von Anfang an zeigte sie sich hochkonzentriert und immer auf die Aufgabe fixiert, Avondale galoppierte stets mit gespitzten Ohren an den Hilfen ihrer Reiterin. Nach einem frühen Rumpler am Wasseraussprung-Element von Hindernis 4 waren die beiden wie angefixt, heute bis ins Ziel zu kommen.
Mit viel Biss und Engagement kämpfte sich das Luhmühlener Paar durch das schwere Gelände, zum Schluss wählte Anna nach einer unglücklichen Distanz zu einer weiteren Ecke eine Alternative und nahm auch mit einer zweiten Alternative den sichereren Weg. Es zahlte sich aus- ohne Hindernisfehler, 38 Sekunden über der Bestzeit galoppierten sie frisch über die Ziellinie ihrer ersten 5* Prüfung.
Daraus resultierend, dass beide in diesem Jahr noch keine Prüfung bestreiten konnten, war Anna bis zuletzt in der Hoffnung, dass Avondale konditionell fit genug ist. Die vielen Anstiege im Gelände forderten den Pferden doch einiges ab. Aber- mit guten Laktatwerten, fit und frisch kam die hoch im Blut stehende Stute ins Ziel galoppiert. In der Ergebnisliste fand sie sich nach dem Gelände auf Platz 21 wieder.
Auch ein im Gelände verlorenes Eisen tat dem guten Gefühl keinen Abbruch, heute morgen bekamen sie das „accepted“ in der Verfassungsprüfung und konnten sich für das Springen vorbereiten.
In den vergangenen Monaten konnte das Paar in einigen M Springen starten und sich auch platzieren. Heute war das Glück leider nicht ganz auf ihrer Seite. Zu einem mächtigen Oxer wurde die Distanz etwas gross, Avondale sprang etwas zu flach und warf mit der Hinterhand die Stange aus den Auflagen. Voll konzentriert, aber auch die Zeit im Blick, galoppierten und sprangen sie im großen Stadion eine Klippe nach der anderen. Doch leider wurde die Distanz zum Schlussoxer auch ein wenig unglücklich, wodurch noch ein zweiter Abwurf zustande kam.
Letztendlich treten sie morgen als 30. dieses hochkarätigen Starterfeldes die Heimreise nach Luhmühlen an. Aus deutscher Sicht ist sie derzeit die einzige Reiterin mit einem 5* Ergebnis in der Tasche- sicher auch ein Ausrufezeichen in Richtung eines der diesjährigen Championate.
Gewinner der Prüfung wurde einmal mehr Oliver Townend mit Ballaghmor Class, der damit den Hattrick in Kentucky und den sechsten 5* Sieg seiner Karriere feiern kann.
Zweiter wird Tim Price im Sattel von Xavier Faer vor seiner Ehefrau Jonelle mit ihrer Grovine de Reve.
