Der Geländetag in Luhmühlen startete mit der CCI5*-L Prüfung bereits am Samstag um 8:45 Uhr. Zu Beginn waren, auch aufgrund des regnerischen Wetters am Vormittag, die Zuschauerränge noch eher spärlich gefüllt. Teils im starken Regen absolvierten die 41 Starterpaare ihre Ritte, erst als die deutsche Nachwuchshoffnung Libussa Lübbeke an der Reihe war, klarte der Himmel erstmals etwas auf. Nach dem Gelände führt immer noch die Dressursiegerin Ros Canter, vor der 5*-Debütantin Jennifer Kühnle aus Irland und Lara de Liedekerke-Meier (BEL) mit Hooney d’Arville.
Die 23-jährige Sportsoldatin Libussa Lübbeke startete vielversprechend mit Caramia auf die 6335 Meter lange Geländestrecke mit einer Bestzeit von 11:07 Minuten. Caramia wirkte schon auf dem Abreiteplatz konzentriert und sehr motiviert. Das eingespielte Team startete gut und flott auf ihren allerersten 5*-Kurs. An Hindernis 10a), einem mit MIM-System ausgestatteten Steilsprung als Einsprung zum Coffin touchierte Caramia die oberste Stange, woraufhin das MIM-System auslöste. Dass das System in diesem Fall einen Sturz verhinderte, war aus der Situation nicht unbedingt ersichtlich. Aber die durch ein ausgelöstes MIM-System vergebenen 11 Strafpunkte müssen die Reiterinnen und Reiter zu Gunsten der Sicherheit im Zweifelsfall hinnehmen. Doch unbeirrt vom ausgelösten MIM-Sytem setzten die beiden ihren Ritt rhythmisch und im Vorwärts angelegt fort. Doch an Hindernis 13 und 14, der Le Mieux Lagune sprang Caramia gewaltig über den mächtigen Einsprung, sodass Libussa kurzfristig etwas die Balance verlor und dadurch ihre Optimallinie verließ. Die beiden mussten kurzfristig umdisponieren und wählten statt der schrägen Hecken die längere Alternative. Zwischenzeitlich wurden 20 Strafpunkte auf dem Konto angezeigt, die jedoch nach kurzer Zeit wieder gelöscht wurden. Alle weiteren Aufgaben konnten die beiden ohne Probleme lösen und wurden von ihrem extra angereisten Fanclub im Ziel gefeiert. Schlussendlich mussten sie durch die 11 Strafpunkte sowie 22,8 Zeitstrafpunkte einige Plätze federn lassen und rutschten von Platz 7 nach der Dressur auf Platz 19 ab, können sich allerdings ab heute zurecht 5*-Gelände-Finisher nennen und dürfen morgen im Springen um einen Platz in den Top 20 reiten.
Für Nicolai Aldinger ist es zwar nicht die erste 5*-Prüfung, er beendete 2019 die CCI5*-L in Pau auf Platz 13, damals mit Newell, aber für seinen aktuellen Sportpartner Timmo war das 5*-Gelände in Luhmühlen das erste auf diesem Niveau. Im vergangenen Jahr hatte es nach einem unglücklichen Vertreten vor der ersten Verfassungsprüfung mit dem 5*-Start in Luhmühlen nicht geklappt. In diesem Jahr schien dagegen alles wie am Schnürchen zu laufen: Platz 5 nach der Dressur und bis zu Hindernis 25 ebenfalls eine Traumrunde im Gelände, bejubelt von den Zuschauern am Streckenrand. Doch kurz vor Ende von Nicos Geländeritt zogen dicke Regenwolken wie schlechte Vorboten über die Wetsergellerser Heide und der Himmel begann seine Pforten zu öffnen. Die Folge war ein minutenlanger Sturm mit mit Starkregen und kräftigen Windböen. Genau in diesen Minuten passierte es dann auch bei Nico und Timmo: Am Aussprung des letzten Wasserkomplexes, dem LONGINES Wasser gab es ein kurzes Missverständnis zwischen den beiden, sodass sie leider 20 Punkten mit in Ziel brachten. Nico gab sich im Intervieww nach seiner Runde selbstkritisch: ,,Der Stop lag nicht am Regen oder am Boden, da habe ich einfach kurz gepennt und schon war es passiert.” In Folge des Sturms musste die Prüfung aus Sicherheitsgründen sogar kurzzeitig unterbrochen werden, da Pflanzen, Schirme und Fahnen zwischenzeitig ihre eigentlichen Positionen am Sprung verlassen hatten. Im Parkbereich fiel ein Baum um und beschädigte einige geparkte Autos.
Nach dem Gelände geht die Dressursiegerin Ros Canter mit einem Puffer von zwei Springfehlern als Führende in die letzte Teilprüfung. Über den Tag resümiert sie: ,,Izilot DHI ist ein sehr vermögendes und vorsichtiges Pferd. Er hat meinen Job heute wirklich einfach gemacht. Im Parcours springt er generell sehr gut, kann aber auch ziemlich guckig sein und sich mal erschrecken.” Auf die Frage welches ihrer aktuellen Top-Pferde ihre Nummer 1 in Richtung Paris ist sagt sie: ,,Ob ich mit Lordships Graffallo oder Izilot an den Start gehe muss ja zum Glück nicht ich entscheiden. Aber Graffalo ist aktuell das erfahrenere Pferd weshalb ich ihn Stand jetzt für etwas wahrscheinlicher halte. Aber aktuell lebe ich von Tag zu Tag und wir werden sehen wie der Ausschuss entscheidet.” Das britische Vielseitigkeitsteam für die olympischen Spiele soll in der kommenden Woche in Anschluss an das Turnier in Luhmühlen bekannt gegeben werden.
Aktuell Zweite ist die jüngste Reiterin im Starterfeld, nämlich die 22-jährige Jennifer Kühnle aus Irland mit ihrer 16-jährigen Stute Polly Blue Eyes (Züchterin: Dagmar Hayessen; Besitzer: Hans & Jennifer Kühnle) und -35,5 Punkten. Sie katapultierte sich mit einem von nur vier Ritten innerhalb der Bestzeit von Platz 22 nach der Dressur nach vorne auf den Silberrang. Jennifers Vater Hans Kühnle ist Deutscher und lebt seit 1993 in Irland, wo er auf seinem Gestüt Tullibard Vielseitigkeits- und Jagdpferde züchtet, ausbildet und verkauft. Tochter Jennifer, die übrigens fließend Deutsch spricht, startete ihre Reitkarriere im Springparcours, wo sie 2015 Einzelgold bei den Europameisterschaften in der Altersklasse Children gewann. Nun konnte sie bei ihrer allerersten 5*-Prüfung direkt mit zwei Pferden an den Start gehen (neben Polly Blue Eyes noch ihr zweites Pferd Sammy Davis Junior) und ritt beide Pferde fehlerfrei über den schweren Parcours. Mit Sammy Davis liegt sie zusätzlich an 12. Stelle in der Konkurrenz. Ihr Pferd Polly Blue Eyes war übrigens vor dem Verkauf an Familie Kühnle unter Christian und Clemens Hayessen bis CCI3*-S (damals noch CIC2*) in Deutschland unterwegs.
Dritte ist nach dem Gelände eine der derzeit fleißigsten und auch best berittensten Reiterinnen Europas, nämlich Lara de Liedekerke-Meier aus Belgien mit der 11-jährigen Schimmelstute Hooney d’Arville. Alleine in der aktuell laufenden Saison war sie bereits in 40 (!!!) internationalen Prüfungen am Start und konnte bereits vier Mal den Sieg mit nach Hause nehmen. Sie lag nach der Dressur mit -31,6 Punkten noch auf Rang 6 und konnte sich durch die sechstschnellste Geländezeit mit nur vier Zeitstrafpunkten auf den dritten Platz verbessern.
Fotos CCI5*-L Gelände – Lutz Kaiser/ Datenreiter