Schon 2018 stand Julia Krajewski ganz oben auf dem Treppchen beim CCIO4*-NC-L (damals noch CCI3*) im niederländischen Boekelo. Bei ihrem ersten Sieg ritt sie ihr erstes Olympiapferd, den springgewaltigen Samourai du Thot. Nun konnte sie diesen Sieg mit ihrem aktuellen Toppferd Nickel 21 wiederholen. Das Team Deutschland behielt im Springen die Nerven und konnte sich Dank guter Runden der vier Teamreiterinnen noch den dritten Platz hinter Irland und den USA sichern.
Der Sonntag begann schon einmal insofern positiv, als dass alle 71 zur Verfassung vorgestellten Pferde diese passieren konnten und somit beim abschließenden Springen an den Start gehen durften. Denn wie sehr eine Geländestrecke die Pferde(beine) tatsächlich beansprucht, zeigt sich häufig erst am darauffolgenen Tag. Doch hier zeigte sich noch einmal, dass die Anstrengungen der Organisatoren der Military Boekelo für den Geländetag goldrichtig waren und letzten Endes den wichtigsten Protagonisten des Turniers, nämlich den Pferden, zu Gute kamen.
Während der Springprüfung wechselten sich Sonnenschein und Regen ab und die verbliebenen Paare mussten einen anspruchsvollen Parcours mit 12 Hindernissen und 15 Sprüngen überwinden. Auch die Zeit war eng gesteckt, sodass frisches Vorwärtsreiten gefragt war. Am Ende schafften es 17 der 69 Paare ohne Fehlerpunkte über die finale Zielline. Unter ihnen wäre auch fast die erste deutsche Teilnehmerin, Maj-Jonna Ziebell mit ihrer 12-jährigen polnischen Stute Chiquita gewesen. Nur zwei Sekunden Zeitüberschreitung trennten die beiden am Ende von einer Nullrunde im strömenden Regen. Ihren ersten Boekelo Auftritt beendete die 28-jährige somit auf Platz 62. Nur wenige Pferde später ging Einzelreiter Ben Leuwer mit dem 12-jährigen Holsteiner Citius (Züchter: Heiko Büttner; Besitzerinnen: Marion Drache & Pia Leuwer) an den Start. Für ihn war es der vierte Start in Boekelo und der Pferdewirtschaftsmeister ging von Platz 45 aus ins Springen. Auch bei den beiden blieben alle Stangen liegen und lediglich 1,6 Strafpunkte für das Überschreiten der erlaubten Zeit kamen hinzu. Damit konnte der 32-jährige noch einmal einige Plätze gut machen und beendete das Turnier auf Rang 38. Nicht ganz das Glück auf ihrer Seite hatten Pauline Knorr und Aevolet M-A-F (Züchter: Marco Fischer; Besitzerin: Ute Thümler) bei der ersten langen 4*-Prüfung der erst 10-jährigen Hannoveraner-Stute. Nach einer klasse Geländerunde am Samstag fielen im Parcours drei Stangen und es kamen zusätzlich zwei Zeitfehler hinzu. Ihr Endergebnis lautete -63,5 und somit Rang 43. Keinen guten Tag erwischte die letzte Einzelreiterin im ersten Block Pia Leuwer mit Professor Bernd Heickes Jard: Nach einer tadellosen ersten Hälfte im Parcours verloren die beiden in der zweiten Hälfte etwas an Sicherheit und mussten schlussendlich 20 Strafpunkte für fünf Abwürfe hinnehmen. Damit rutschten sie um 13 Plätze auf Platz 49 ab.
Nach einer kurzen Pause ging es dann um die Ritte der Teamreiter und somit in erster Linie auch um die Mannschaftsplatzierungen. Die Mannschaftsreiter starteten in umgekehrter Reihenfolge zur Teamrangierung nach dem Gelände. Das deutsche Damenquartett lag nach dem Gelände auf Platz 4 in Sichtweite des Podiums. Nun hieß es die Neuseeländer durch gute Runden unter Druck zu setzen und den Abstand zu verringern. Als erstes ging es für Malin Hansen Hotopp und Carlitos Quidditch K (Züchterin: Miriam Kühl; Besitzer: Bodil Ipsen) in den Parcours. Die beiden starteten mit neuer Zäumung im Springen. Einem hannoverschen Tau-Reithalfter, welches dem Kopf des kalibrigen Schimmels zwar nicht unbedingt schmeichelt, aber solange er damit gerne geritten wird, ist das Aussehen ja bekanntlich erst einmal zweitrangig. Ein Netzroller mit der Hinterhand am letzten Hindernis in einer ansonsten sehr sicheren Runde erhöhte das Punktekonto zwar etwas, jedoch konnten sie immer noch vier Plätze gutmachen und beendeten ihr Turnier auf Platz 47. Als nächstes war Anna Siemer mit ihrer quirligen FRH Butts Avondale (Züchter & Besitzer: Prof. Dr. Steinkraus) an der Reihe. Die beiden lieferten eine schnelle fehlerfreie Runde und legten somit den Grundstein für die Aufholjagd des deutschen Teams. Sie beendeten die Prüfung mit -59,7 Punkten auf Platz 40. Ohne den ärgerlichen Vorbeiläufer im Gelände hätten sie durchaus noch um eine Top-Platzierung mitreiten können. Die dritte Teamreiterin Emma Brüssau hatte mit ihrer Dark Desire GS (Züchter: Bernd Gehrdau-Schröder; Besitzer: Jürgen Andreas Brüssau) etwas Pech und es fielen gleich zwei Stangen. Dennoch konnten sich die beiden mit einem Endergebnis von -43,4 Punkten über ihre beste bisherige Boekelo Platzierung auf Platz 21 und sogar noch etwas Preisgeld freuen. 2022 hatten sie Rang 23 belegt.
Nach einer weiteren kurzen Pause wurde es dann mit den Springen der letzten 17 Reiter so richtig spannend. Die bis dato auf Rang 3 liegenden Neuseeländer hatten ebenfalls einige Springfehler zu verzeichnen, sodass Deutschland mittlerweile knapp vor ihren Konkurrenten lag und es auf die letzten beiden Teamreiter Julia Krajewski und Tim Price ankam. Zwischenzeitlich ging jedoch auch noch Calvin Böckmann an den Start. Er war an diesem Wochenende zwar nicht als Teamreiter eingesetzt, jedoch lag er vor dem abschließenden Springen innerhalb der Top 20 und startete somit im letzten Block. Eine Stange fiel durch eine Berührung von Altair de la Cense (Besitzer: Familie Böckmann) an Hindernis 2, einem mächtigen Oxer. Jedoch unterliefen auch anderen Paaren Abwürfe, sodass Calvin seine Platzierung nach dem Gelände trotz des Abwurfes halten konnte und Platz 8 belegte. Außerdem konnte er sich über den Preis des ,,Under 25 Rookies“ freuen und erhielt damit eine zusätzliche Würdigung der sportlichen Leistung bei seiner Boekelo Premiere. Auch die bis dato Zweitplatzierte Sarah Bullimore ritt als Einzelstarterin vor den letzten Teamreitern einer jeden Mannschaft mit ihrem selbstgezogenen Corimiro in den Parcours ein. Dem erst 8-jährigen unterlief bei seinem allerersten 4*-L Start ein Abwurf, was Julia Krajewski die Chance auf Platz 2 eröffnete.
Aufgrund der an der Teamplatzierung orientierten Startreihenfolge ritt die bis dato Führende Laura Collett mit Holsteiner Dacapo vor der nun an zweiter Stelle liegenden Krajewski ein. Ein Abwurf an Hindernis 3 machte den Weg frei für die spätere Siegerin Julia Krajewski, die direkt nach Collett an der Reihe war. Sie wusste, dass ein Nullfehlerritt ihr den zweiten Boekelo Sieg ihrer Karriere sichern konnte. Professor Heickes Holsteiner Nickel 21 zeigte sich einmal mehr in einer Top-Verfassung und sprang trotz des akrobatischen Rumplers im Gelände locker durch den Körper und war kein bisschen steif. Für ihn und seine Reiterin bedeutet dies nach der goldenen Schleife in Aachen im Juli bereits den zweiten bedeutenden Sieg in dieser Saison. Mit ihrer Nullfehlerrunde sicherte sie nicht nur sich selbst den Sieg, sondern auch ihrem Team einen Platz auf dem Treppchen hinter den Iren, die erstmals seit 2015 in Boekelo einen Nationenpreis für sich entscheiden konnten und Team USA. Mit 102,6 Punkten gewann das irische Team deutlich vor den US-Amerikanern mit -116,1 Punkten. Deutschland zählte am Ende -131,9 Punkte und lag damit knapp vor der Mannschaft aus Neuseeland mit -133,3 Punkten.
Die ersten drei Plätze der Einzelwertung machten am Ende drei Holsteiner unter sich aus: Der Sieg ging bekanntermaßen an den von Hindrick Stüvel gezogenen Nickel 21 (-28,8) vor dem 15-jährigen Diarado-Sohn Dacapo mit Laura Collett (-29,3) . Mit ihm war sie 2022 bereits Dritte in Boekelo geworden. Ein interessanter Fakt am Rande: Als Julia Krajewski 2018 mit Samourai du Thot die Prüfung gewann, war, genau wie in diesem Jahr, Laura Collett zweitplatziert. Damals mit ihrem Olympiasiegerpferd London 52. Dritte wurde die US-Amerikanerin mit der von Magens Hobe gezogenen Coventry Tochter Cute Girl, die 2021 unter Kevin McNab die WM der siebenjährigen Vielseitigkeitspferde gewann. Sie ritten an diesem Wochenende ihr Dressurergebnis von -30,4 Punkten ins Ziel.
Endergebnis CCIO4*-NC-L Einzelwertung