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EM Vielseitigkeit: Deutsches Team baut Führung im Gelände aus

Bei den Vielseitigkeits-Europameisterschaften im britischen Blenheim liegt das deutsche Team weiter auf Goldkurs. Mit vier Runden ohne Hindernisfehler konnten die deutschen Reiter ihre Führung nach der Dressur auch im Gelände behaupten (113,7 Minuspunkte). Auf den Plätzen zwei und drei folgen mit deutlichem Abstand Irland (150,7) und die Schweiz (161,3). Vor dem abschließenden Springen am Sonntag gehen die Deutschen also mit einem klaren Vorsprung an den Start.

Sechs Paare am Start, sechs Paare im Ziel – alle ohne Hindernisfehler – und vier deutsche Reiter in den Top Ten der Einzelwertung: Aus deutscher Sicht war der Geländetag ein Traum. Michael Jung liegt mit fischerChipmunk FRH auf Platz zwei (28,3), Calvin Böckmann mit The Phantom of the Opera auf Platz vier (36,5), Malin Hansen-Hotopp mit Carlitos Quidditch K auf Platz sieben (41,8) und Jérôme Robiné mit Black Ice auf Platz acht (43,6). Nicolai Aldinger und Timmo arbeiteten sich mit ihrer Geländeleistung auf Rang 15 (51,9) vor, Libussa Lübbeke und Caramia beendeten den Tag als 21. der 53 Starter.

Wie erwartet blieben die Dressurergebnisse am Geländetag nicht bestehen. Besonders bitter verlief der Tag für die favorisierten Briten, die als Mannschaftsolympiasieger im eigenen Land zu den haushohen Favoriten gezählt wurden. Von den vier britischen Teamreitern kamen nur zwei ins Ziel: die Silbermedaillengewinnerin von Paris, Laura Collett, die mit ihrem Holsteiner London nach einem fehlerfreien Ritt die Einzelwertung anführt (26,6), und ihr Teamkollege Tom McEwen, der mit JL Dublin ebenfalls fehlerfrei auf Rang drei rangiert.

Die deutschen Reiter überzeugten dagegen auf ganzer Linie. Den Auftakt machte Libussa Lübbeke (Warendorf) mit der von ihrer Familie selbstgezogenen Hannoveraner Stute Caramia. Als fünfte Starterin überhaupt und „Pathfinder“ fürs deutsche Team meisterte sie ihre EM-Geländepremiere mit Bravour, lediglich mit Zeitfehlern (28,3). Ihren Plan, möglichst alle direkten Wege zu nehmen, setzte sie weitgehend um. Nur an den Doppelecken vor der Kulisse des Blenheim Palace wählte sie die Alternative. „Ich kam da einfach zu schlecht rein, wir hatten ein bisschen einen Rhythmusverlust am (vorausgehenden) Tisch. Die erste Ecke habe ich noch geschafft, aber nicht so, wie ich wollte. Dann habe ich die Alternative genommen. Ich habe dadurch vielleicht fünf Sekunden verloren, deshalb war es halb so wild“, erklärte sie. Ihr Fazit über die Strecke, das sie so ähnlich auch den nachfolgenden Reitern mitgab: „Man musste von Anfang bis Ende richtig kämpfen und alles zusammenhalten, bis man es ins Ziel gebracht hat. Aber wenn man in den Flow kommt, Kombination für Kombination abarbeitet und merkt, es geht Stück für Stück nach Hause, dann kann man es auch ein bisschen genießen, obwohl es so intensiv ist.“

Auch Malin Hansen-Hotopp (Gransebieth) war vor dem Geländeritt ungewohnt nervös, obwohl sie mit ihrem Holsteiner Quidditch in Blenheim bereits einmal gewinnen konnte und vor zwei Jahren Vize-Europameisterin mit dem Team wurde. „Man ist immer etwas nervös vor dem Gelände, das ist ganz normal. Ich werde aber eigentlich ganz ruhig – und ich merkte, dass ich relativ früh unruhig wurde, das war ein bisschen untypisch“, sagte sie. Grund zur Sorge gab es jedoch nicht: Die 47-jährige Landwirtin aus Mecklenburg-Vorpommern kam ebenfalls ohne Hindernisfehler ins Ziel, auch bei ihr fielen nur Zeitfehler an (41,8). „Ich habe nicht mehr auf die Uhr geguckt. Ich habe einfach gedacht, ich reite konzentriert und sicher nach Hause“, sagte sie.

Während andere Nationenteams mit Problemen zu kämpfen hatten, zeigte auch Jérôme Robiné (Warendorf) mit Black Ice einen souveränen Ritt. Wie seine Teamkolleginnen sammelte er nur Strafpunkte für Zeitüberschreitung (43,6). „Es war sehr spannend. Benny war mal wieder überragend. Der einzige Sprung, der nicht so sein sollte, war der ins Wasser rein, da landete er sehr früh. Es sollten fünf Galoppsprünge werden, er machte vier. Das zeigt aber auch die Klasse des Pferdes – am Ende macht er es auch alleine. Sonst lief alles wie an der Schnur gezogen“, kommentierte er.

Michael Jung (Horb) wurde den Erwartungen an ihn wieder gerecht. Als drittletzter Starter und viertes Teammitglied absolvierte der dreimalige Olympiasieger mit seinem 17-jährigen Hannoveraner fischerChipmunk FRH souverän die von den Zuschauern gesäumte 5.800 Meter lange Strecke mit 32 Hindernissen durch den Park von Blenheim Palace. Nur an einem der 40 Sprünge gab es eine kleine Schrecksekunde. „Mit dem Wasser hinter dem Sprung haben die Pferde nicht gerechnet. Es lag ziemlich weit unten. Aber Chipmunk hat blitzschnell reagiert und ist das auch ohne Probleme gesprungen“, erklärte er und sah es einmal mehr als Bestätigung der Klasse seines vierbeinigen Partners. „Es war ein gewaltiges Gefühl mit ihm heute. Er ist super durchgaloppiert und hat keinen Sprung berührt. Er ist so sicher gesprungen, das ist einfach eine Freude.“

Auch die beiden deutschen Einzelreiter erlebten einen erfolgreichen Tag. Völlig begeistert kam Nicolai Aldinger (Egestorf) ins Ziel. Er und sein Holsteiner Schimmel Timmo waren bereits vor zwei Jahren bei den EM am Start, sahen dort aber nicht das Ziel. Diesmal bewältigten die beiden den anspruchsvollen Kurs von Captain Mark Phillips ohne Hindernisfehler – und schnell dazu. Mit einem Zwischenstand von 51,9 rückten sie von Platz 23 auf Rang 15 vor.

Noch schneller war Calvin Böckmann (Warendorf), der Jüngste im deutschen Team und wie Libussa Lübbeke erstmals bei Europameisterschaften am Start. Er legte mit seinem Fuchswallach The Phantom of the Opera die schnellste Runde in 10:15 Minuten hin. Innerhalb der erlaubten Zeit von 10 Minuten und 1 Sekunde konnte dagegen kein Reiter den Kurs beenden. „Mein Pferd war einfach unglaublich. Das sind teilweise Anstiege, die über eine Minute lang gehen. Und er war einfach Bombe. Es hätte auch noch drei Minuten länger sein können. Ich bin ihm einfach unglaublich dankbar“, freute er sich. Dankbar war der 24-jährige Sportsoldat auch für die Erfahrung, „diese Woche mit den ganzen tollen Leuten sein zu dürfen. Ich versuche einfach, so viel wie möglich mitzunehmen – hoffentlich für die nächsten Jahre.“

Für Bundestrainer Peter Thomsen hätte der Tag nicht besser laufen können: „Das war eine ganz starke, eine nervenstarke Leistung von den Reitern. Es war klar: Der Wettkampf wird im Gelände entschieden, und da sind wir heute vorne. Wir hatten gewaltigen, aber positiven Respekt vor dem Kurs. Wir wussten: Wenn man konzentriert reitet, keinen Fehler macht und die Zeit nicht zu sehr im Auge behält, ist es eigentlich nichts Besonderes. Aber wenn man den Sekunden hinterherjagt und an Erfolge denkt, wird es gefährlich. Das haben heute alle perfekt abgeliefert.“ Auch die Einzelreiter hob er hervor: „Es war wirklich sehr schwierig, die Mannschaft aufzustellen. Wenn man den einen reinnimmt, hätte man genauso den anderen reinnehmen können. Das tut natürlich weh, wenn man jemandem sagen muss, dass er nicht in der Mannschaft ist. Aber die Einzelreiter haben die richtige Antwort gegeben.“

Die Medaillen im Team- und Einzelwettbewerb werden am morgigen Sonntag im Springen entschieden (11–15 Uhr Ortszeit / 12–16 Uhr MEZ). Eine letzte Hürde wartet allerdings schon am Morgen: die Verfassungsprüfung um acht Uhr. Nur wer „fit to compete“ ist, darf ins abschließende Springen.

Weitere Informationen zu den Europameisterschaften 2025 – inklusive Wettkampf- und TV-Zeiten sowie einem Überblick über das deutsche Team – gibt es unter www.pferd-aktuell.de/em2025/vielseitigkeit-in-blenheimfn-press/Bo/Hb

Alle Teilprüfungen werden live bei Clipmyhorse.de gestreamt. Das Springen kann am Sonntag ab 11:30 Uhr im Sportschau Livestream geschaut werden. Die Entscheidung wird außerdem ab 15:30 Uhr im ARD Fernsehen übertragen.

Zu den Startzeiten & Live-Ergebnissen

Vielen Dank an Jan Frohne für die schönen fotografischen Eindrücke aus Blenheim!

 

 

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